Düsseldorf - Der angeschlagene ThyssenKrupp-Konzern kommt nicht zur Ruhe: Nach dem Milliardendesaster mit den Überseewerken, Kartellverstößen und Korruptionsvorwürfen rückt nun die Zukunft der europäischen Stahlsparte ins Rampenlicht. Kaum ein Tag, an dem nicht über einen Verkauf des Kernbereichs oder eines Teils spekuliert wird.

Vorstandschef Heinrich Hiesinger will neben dem ohnehin geplanten Abbau von 2000 Jobs womöglich weitere 1800 Stellen durch die Veräußerung von Beteiligungen abstoßen. Darunter fallen Werke des Bereichs Electrical Steel in Gelsenkirchen, Frankreich und Indien. Mit einem Verkauf der kompletten Stahlsparte, über den zuletzt deutsche Medien spekulierten, würde der Traditionskonzern ein Herzstück verlieren und sich auf das Geschäft mit Aufzügen, Anlagen, Autoteilen und U-Booten konzentrieren.

Trennung von Stahlsparte kolportiert

Insgesamt sind im Thyssen-Stahlgeschäft 27.600 Personen in Europa tätig. Frühere Aussagen von Investmentbankern zur Trennung von der Stahlsparte waren bisher vom Konzern strikt zurückgewiesen worden. Am Wochenende wollte ThyssenKrupp die Berichte nicht kommentieren. Das Unternehmen verwies auf Aussagen Hiesingers, wonach eine Trennung vom europäischen Stahlgeschäft nicht geplant sei. "Ich habe immer gesagt, wir haben kein Stahlproblem. Wir haben ein Problem mit Steel Americas", hatte der Manager betont. Ganz neu wären Überlegungen zur Aufgabe des Geschäfts allerdings nicht. Im Jahr 2000 wollte ThyssenKrupp den Stahlbereich an die Börse bringen, zog die Pläne aber kurzfristig zurück.

Die Arbeitnehmervertreter sehen Hiesinger im Wort. "Ich habe überhaupt keine Hinweise darauf, dass ein Komplettverkauf oder von größeren Teilen geplant ist", sagte Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath. Sollte dies hinter dem Rücken der Arbeitnehmervertreter vorbereitet werden, wäre das ein Unding. Segerath sitzt auch im Aufsichtsrat von ThyssenKrupp.

Zusagen vertrauen

Die Arbeitnehmer seien immerhin bereit, Managementfehler der Vergangenheit mit auszubügeln. "Es wäre fatal, wenn ThyssenKrupp aus dem Stahl aussteigt." Auch der Gesamtbetriebsratschef von ThyssenKrupp Steel Europe, Günter Back, hatte bereits erklärt, Hiesingers Zusagen zu vertrauen.

Der Verkauf der Werke in Brasilien und den USA hat sich immer wieder verzögert. Der Konzern will die zwölf Milliarden Euro teuren Werke bis Ende September verkaufen. Als Favorit gilt die brasilianische CSN. Zudem wird über eine Kapitalerhöhung spekuliert, bei der die für die Abwicklung des Kohleabbaus zuständige RAG-Stiftung eine zentrale Rolle spielen könnte. RAG reagiert darauf vage. (Reuters, DER STANDARD; 1.7.2013)