Vor fast zwei Jahren sprach ich auf einer Gaskonferenz in London und wurde gefragt was ich als ehemaliger Leiter der Geschäftsentwicklung in der EconGas von Nabucco halte. Ich sagte, dass Nabucco ein Projekt aus einer anderen Zeit sei und es im Prinzip nicht mehr ins heutige europäische Gasumfeld passt. Ich sagte auch, dass es wohl besser wäre das Projekt zu Grabe zu tragen.

Warum ist das so?

An der grundsätzlichen Idee ist ja nichts wirklich verwerfliches. Im Mittleren Osten gibt es riesige Mengen Erdgas, das sich auf dem europäischen Markt sehr gut machen würde. Damals war auch der europäische Gasmarkt im scheinbar immer währenden Wachstum und man dachte, dass der Markt wohl jegliche Menge die man bereitstellen konnte auch schlucken würde. Wie jede Blase platzte auch dieser Traum.

Eines der Geburtsprobleme waren die vielen Transitländer. Russisches Gas kommt auch durch sehr viele Transitländer nach Westeuropa, aber zum Unterschied von der imaginären Nabucco wurden diese Pipelines zu einer Zeit gebaut, als man sich um die lästigen Wegelagerer noch keine Gedanken machen musste. Schließlich gehörten sie alle bis zur österreichischen Grenze zur sowjetischen Einflusszone. Für Infrastruktur- Großprojekte wie Pipelines war das praktisch. Mit Widerstand oder Wegelagerei, wie das heute geschieht, musste nicht gerechnet werden.

Regelrechte Erpressung

Heute lässt sich jedes Transitland die Zustimmung zur Durchleitung teuer abkaufen und zum Teil wird sowohl Lieferant als auch Käufer regelrecht erpresst. Erinnern wir uns nur an die Russenkrisen. Und die waren bei Gott keine Einzelfälle. Pipelines wie die North Stream, South Stream oder GALSI sind lediglich eine Reaktion auf die lästigen Transitbanditen.

Aber zu allem Unbill kam auch noch die Gasmarktliberalisierung. Ein Großprojekt wie Nabucco braucht stabile Einkünfte, um die gewaltigen Investitionen über sehr lange Zeiträume abbezahlen zu können. Irgendjemand muss das Risiko einer negativen Marktentwicklung tragen. Das heißt dann im Eintrittsfall,dass sich das Gas über einen zu teuren Transporttarif selbst aus dem Markt preist.

In einem Monopolmarkt (wie halt vor der Liberalisierung) ist das kein Problem, weil solche Risiken über das Absatzportfolio sozialisiert werden. Das heißt, dass alle Konsumenten des Empfängermarktes die teure Infrastruktur mitzahlen, egal was es kostet. Ein liberalisierter Markt lässt so etwas nicht mehr zu weil dem Marktpreis die Erfordernisse von Großprojekten reichlich egal sind. Damit müsste die Infrastrukturgesellschaft Nabucco wohl selbst das Marktrisiko tragen. Das kann sie aber nicht, weil ihr dazu die Ressourcen fehlen. Wer aber soll dann die notwendigen Milliarden zur Finanzierung bereitstellen?

Wenn man sein Leben in einem Ex-Monopolkonzern verbracht hat tut man sich mit solchen Mechanismen ein wenig schwer. Was sind schon ein paar Milliarden mehr oder weniger wenn man für die Versorgungssicherheit rittert?

Große Pipeline- Projekte wie Nabucco gehören eigentlich der Vergangenheit an. Die deutlich kürzere TAP hatte das große Los gezogen, weil sie sich so unkompliziert wie möglich aufstellte. Sie hatte noch ein weiteres Ass im Ärmel. Sie hatte sich von Beginn an auf Erdgas aus Aserbaidschan konzentriert und mit Statoil einen Shah Deniz Konsortialpartner an Bord geholt.

Lieferantenroulette

Die Nabucco wurde anfänglich für iranisches und Azeri Gas konzipiert, dann wurde Ägypten als Lieferant umworben, dann war kurz der Nordirak auf der Karte um dann bei einer rein kaukasischen Version zu enden. Kein Wunder wenn alle verwirrt sind.

Fakt ist, dass man den Gasproduzenten bei einem Pipeline Großprojekt quasi als Initiator an Bord braucht. Und wie es aussieht, muss der dann auch oft die Finanzierung stemmen. So geschehen bei der North Stream, aber auch bei LNG ist das nicht anders wie man in Algerien sieht.

Doch denken wir weiter. Brauchen wir das Erdgas aus dem Kaukasus überhaupt? Momentan sicher nicht, allerdings wollen wir so kurzfristig nicht denken. Fakt ist, dass unsere ach so gefürchtete Russenabhängigkeit auch nur eine Mähr ist. Russland braucht jeden Cent aus Gasexporten zu guten Zahlern wie Österreich, um sein Budgetloch zu stopfen. Gasexporteure stellen nicht einfach so den Gashahn ab weil sie lustig sind. Algerien hatte während zehn Jahren Bürgerkrieg immer brav nach Italien und Spanien geliefert. Probleme machten allenfalls die Transitländer und solche hatte die Nabucco en Masse.

Neue Großbaustellen

Am Ende ist das Ableben der Nabucco Pipeline vielleicht noch ein versteckter Segen für die OMV. Damit kann sie sich jetzt auf die wahren Herausforderungen des stark veränderten Gasmarktes in Europa einstellen und mit ihren bereits bestehenden Herausforderungen umgehen lernen. Die sind, ja wie man auf schön österreichisch sagt, beileibe kein "Lercherlschaas". Man denke da nur an die notwendige Entkoppelung der langfristigen Lieferverträge vom Ölpreis oder auch LNG und damit die OMV Beteiligung am niederländischen GATE Terminal - beides Grossbaustellen wo kein echtes Konzept zu sehen ist.

Nabucco war ein Relikt aus der Vergangenheit. Das hatte offenbar sogar RWE erkannt. Und nun auch das Shah Deniz Konsortium. Fossile gehören in ein Museum. Die Liberalisierung machte die Nabucco zu einem Fossil.

Manchmal dauert es halt ein wenig länger bis man sie auch wirklich ins Museum schickt.  (Rudolf Huber, DER STANDARD, 1.7.2013)