Wien - "Morsi, schleich dich", lautet die unmissverständliche Botschaft auf dem zusammengeklebten Plakat, das eine junge Familie durch das Heldentor trägt. Wie einige hundert andere Ägypter sind sie am Sonntag in Wien auf die Straße gegangen, um am Jahrestag von Präsident Mohammed Morsi dessen Rücktritt zu fordern. "Es gibt kein normales Leben mehr in Ägypten", sagt der Mann.

Egal wen man im Demonstrationszug fragt, die Vorwürfe lauten stets: kein sauberes Trinkwasser, mehrmals am Tag Stromausfall, teure Lebensmittel, keine Sicherheit in den Straßen - vor allem nicht für Frauen - und eine rasante Islamisierung durch Postenschacher.

"Wirtschaftliche Katastrophe"

"Diese Regierung ist eine wirtschaftliche Katastrophe", meint Ragaei William Tadros, Kopte, der seit mehr als 20 Jahren in Österreich lebt. Seine Schwester und seine Mutter sind noch in Kairo. "Meine Neffen und Nichten werden heute zum Tahrir-Platz gehen. Natürlich habe ich Angst um sie, aber das Militär ist auf der Seite des Volkes", hofft er.

Er habe Morsi von Anfang an nicht gewollt, erzählt Zaid, ein älterer Herr, der etwas abseits auf einer Parkbank sitzt. Er selbst sei Muslim, könne aber "mit dem altmodischen Gedankengut der Muslimbrüder" nichts anfangen. "Unter Mubarak hatten wir eine Diktatur - jetzt haben wir Diktatur gepaart mit Dummheit", schimpft er. Neben ihm sitzt Sarah, Christin, mit ihrem kleinen Bruder. "Vor einem Jahr haben wir für ein besseres Leben in Ägypten gekämpft", sagt die 15-Jährige. "Morsi hat überhaupt nichts für das Land getan." (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 1.7.2013)