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Serbiens Premier Ivica Dacic zu Besuch in Brüssel.

Foto: Reuters/Lenoir

Im Spätsommer vor zweiundzwanzig Jahren rollten Panzer der Jugoslawischen Volksarmee über die Autobahn der "Brüderlichkeit und Einigkeit" in Richtung Zagreb. Im August 1995 zogen nach der siegreichen kroatischen Militäraktion "Oluja" (Sturm) serbische Flüchtlingskolonnen aus Kroatien über die gleiche Straße nach Belgrad. Sonntag fuhr Serbiens Präsident Tomislav Nikolic nach Zagreb zur Feier des kroatischen EU-Beitritts. Einst nahm er als serbischer Freischärler im Krieg in Kroatien teil. Die Symbolik spricht Bände.

Seit mehr als einem Jahrzehnt sind die ehemaligen Kriegsparteien auf der gleichen Spur - auf dem Weg nach Brüssel. Kroatien ist als Erster am Ziel angelangt, Serbien will nachholen. Das Ziel zwang beide, Kompromisse in den gegenseitigen Beziehungen zu machen.

Belgrad soll die Beitrittverhandlungen im Jänner 2014 beginnen, falls der Europäische Rat bis dahin die Umsetzung des Normalisierungsabkommens zwischen Belgrad und Prishtina bestätigt. Kroatiens Erfahrungen mit dem Verhandlungsprozess könnten die Sache für Serbien vereinfachen. Die Streitpunkte, etwa die gegenseitige Völkermordklage, die Rückkehr serbischer Flüchtlinge oder die ungeregelten Grenzen, will man beheben.

In Belgrad rechnet man sich nüchtern die eigenen Vorteile von Kroatiens EU-Beitritt aus. Innenpolitisch fördert das Ereignis den Europa-Enthusiasmus. Aber auch wirtschaftlich wird Serbien von dem Auszug Kroatiens aus dem Mitteleuropäischen Freihandelsabkommen CEFTA profitieren. Vor allem in der Landwirtschaft hofft Belgrad, den größten Konkurrenten los zu sein und rechnet mit einem größeren Export in die CEFTA-Staaten (Serbien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Mazedonien, Albanien, Moldawien und Kosovo). Serbien und Bosnien sind zudem ein großer Markt für die kroatische Tabakindustrie, serbische Zigarettenhersteller sehen nun ihre Chance.

Serbien erhofft sich auch, dass so einige kroatische Unternehmen wegen des billigeren Arbeitsmarktes nach Serbien ziehen oder in serbische Unternehmen investieren. Anziehend ist auch das Freihandelsabkommen Serbiens mit Russland. (Andrej Ivanji aus Belgrad, DER STANDARD, 1.7.2013)