Jetzt macht er das zur Medien-Masche, was er am besten kann: streitbar oder sogar streitsüchtig schreiben. Michael Fleischhacker, der schon vor mehr als zehn Jahren im "STANDARD" als Chef vom Dienst seine fachlichen Qualitäten gezeigt hat, konnte sich später als Chefredakteur der "Presse" mit seinen angriffigen Kommentaren einen Namen machen. Der studierte Theologe ("Gott und die Welt" im "Kurier") schuf sich rasch eine Gemeinde von Jüngern.

Nach dem Sturz vom Styria-Thron nahm man in der Branche an, Fleischhacker würde woanders einen neuen besteigen. Weil er um schwindende Vakanzen wusste, schuf er sich selbst ein Podium. In der "Kleinen Zeitung" duelliert er sich gespielt und gekünstelt mit dem "Falter"-Herausgeber Armin Thurnher. Wobei man nach der Lektüre dasselbe Gefühl hat wie nach dem Lesen der Fleischhacker'schen Leitartikel in der Presse: Sprachliche Leckerbissen, unterhaltsame Bilder, aber: Wo ist eine durchargumentierte Position?

Jetzt spitzt er im "Datum" diese Form der gehobenen Unterhaltung zu. "Wollen Sie mit mir streiten?" heißt die Kolumne. Und nimmt gleich keinen Geringeren als Armin Wolf aufs Korn. Das könnte funktionieren - nimmt man als Vergleich meine Kritik am ZiB 2-Moderator vor einigen Wochen. Die Aufregung wegen meines Vorwurfs einer "Abkehr vom Parlamentarismus" war groß, Internetzugriffe und Postings zahlreich.

Der Trend zur Personalisierung bleibt indessen längst nicht auf Politik beschränkt.

In Wien entspringt das auch noch einer besonderen Tradition, der des Feuilletons - das vor hundert Jahren, gespickt mit prominenten Schreibern, eine Hochblüte erlebte.

Schon damals gab es ein Phänomen, das von den Zeitungslesern enorm geschätzt wird: das sprachliche Können. Wer die Leserschaft literarisch gekonnt unterhält, muss nicht unbedingt auch eine Meinung vertreten. Die Meinungslosigkeit wird zu oft durch den persönlichen Angriff kompensiert. Wo sich exzellente Sprache und ironische Attacke vereinen, gelingen schöne Stücke.

Das sind nach wie vor Highlights in der Printlandschaft. Aber wirkliche Streitkultur ist das noch nicht. Als sich die "Kommentare der anderen" im STANDARD in den 90er-Jahren publizistisch durchgesetzt hatten, versuchte man vor allem in Magazinen aufgeblasene Leserbriefe Prominenter oder von Sekretären geschriebene Texte von Spitzenpolitikern als "Diskussion" zu präsentieren. Ein Fehlschlag.

Streitkultur anstatt Streitsucht ist die Auseinandersetzung um Grundsätzliches und aktuelle Themen: derzeit zum Beispiel um das Klagenfurter Wettlesen beim Bachmann-Preis. Heuer am Jahresanfang um die Frage "Berufsheer oder Wehrpflicht?".

Die Streitkultur meint auch die Bereitschaft von Zeitungen und Zeitschriften, anderen als den von Herausgebern und/oder Chefredakteuren vertretenen Positionen Raum zu geben - mitunter sogar solchen Texten, die der Blattlinie widersprechen.

Das geht aber nur, wenn es wirklich eine Blattlinie gibt. Die besteht jedoch vielfach bloß aus Allgemeinplätzen. Oder ist überhaupt Makulatur. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 1.7.2013)