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Bequem ist es nicht, aber manchen gelingt es dennoch zu schlafen. Sie können die drei großen Schlafstörungsquellen - Licht, Lärm und Beengtheit - ignorieren.

Foto: corbis/Stewart Cohen

Fliegen ist längst nicht mehr Luxus. Schnell von A nach B zu kommen, darum geht's. Je mehr man beruflich unterwegs ist, umso lästiger sind die zu überspringenden Zeitgrenzen, die einem das Fitsein beim Ankommen erschweren. Professionelle Vielflieger schlafen deshalb während der Flüge.

Allein: Es gibt Menschen, denen das nicht so einfach gelingt. "Generell würde ich von Schlafmitteln fürs Flugzeug zunächst einmal abraten", sagt der Wiener Apotheker Gerhard Schopf, "wer über Stunden bewegungslos schläft, erhöht damit sein Thromboserisiko", zudem sinke die Reaktionsfähigkeit und das sei schlecht für den Fall, wenn in der Luft etwas passiert.

Kurzzeitwirkung erwünscht

Für alle, bei denen ein Glas Bier, Schlafmaske, Ohrenstöpsel oder warme Socken keine einschläfernde Wirkung haben, bleibt medikamentöse Hilfe. Benzodiazepine zum Beispiel, sie binden an die sogenannten Gaba-Rezeptoren im zentralen Nervensystem, nehmen die Angst und machen müde. "Benzodiazepine sind als Schlafmittel gut wirksam und lange im Einsatz, wegen ihrer starken und potenziell süchtigmachenden Wirkungen allerdings rezeptpflichtig", sagt Schopf, der in diesen Fällen Kunden zum Arzt weiterschickt.

Allgemeinmedizinerin Susanne Rabady weiß, dass vor allem Menschen, die geschäftlich um den Erdball unterwegs sind, beim Aussteigen aus dem Flugzeug ausgeschlafen sein wollen. Wenn ein Schlafmittel die Ultima Ratio sein müsse, wählt sie aus den unzähligen Varianten von Benzodiazepinen die kurz wirksamen, schlafanstoßenden Mittel aus. "In einer geringen Dosierung vor dem Flug unbedingt einmal zu Hause ausprobieren", rät sie, da Benzos manchmal eine paradoxe, also stark euphorisierende Wirkung, haben können.

In dieser Indikation wurden in Studien Medikamente wie Zolpidem oder Zopiclon untersucht, sagt Rabady, das sind sogenannte Cyclopyrrolone, die eng mit Benzodiazepinen verwandt sind und ebenfalls in der Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt werden. "Auf keinen Fall sollten Flugreisende lang wirksame Tranquilizer verwenden, weil sie einen starken Schlafüberhang zur Folge haben", sagt Rabady. Studien darüber, welche Auswirkungen Benzodiazepine tatsächlich auf die Leistungskapazität haben, gäbe es nämlich nicht, so Rabady.

Beruhigungsmittel auf Pflanzenbasis

Ganz sicher sei, dass die Einnahme auf einige wenige Male reduziert bleiben sollte, weil Benzodiazepine sehr schnell zu Abhängigkeit führen. Zudem dürften allfällige Erkrankungen, die Einnahme anderer Medikamente oder Ähnliches dem Arzt hinsichtlich allfälliger Wechselwirkungen keinesfalls verschwiegen werden, so Rabady.

Wer keine Zeit mehr hat, ein Rezept zu holen, kann sich allerdings auch mit Beruhigungsmitteln auf Pflanzenbasis helfen. "Von vielen Kunden bekam ich die Rückmeldung, dass einem damit das Einschlafen leichter fällt, dass einem alles wurscht wird", berichtet Apotheker Schopf. Baldrian, Hopfen, Melisse oder Passionsblume als Dragées und Tropfen sind deshalb eine Option.

Ein generell wichtiger Rat der Hausärztin: "Sich keinesfalls Druck machen beim Einschlafen. Wenn Schlafen Programm ist, dann schafft man es wahrscheinlich nicht." Zwar hätte jeder seine individuellen Einschlafhilfen, aber es hätte sich bewährt, lange vor dem Flug kein Koffein mehr zu sich zu nehmen, kleine Rituale wie zu Hause einzuhalten (leicht essen, lesen, aufs Klo gehen, Augen zu) und Sorgen gedanklich wegzuschieben.

Schlaf anstoßen

Als Geheimtipp unter Vielfliegern werden mitunter auch Antihistaminika gehandelt, also Medikamente, die bei Allergien gegen Schnupfen, Juckreiz oder Hautrötungen zum Einsatz kommen. Sie blockieren einen Rezeptor, an dem der körpereigene Botenstoff Histamin seine unangenehme Wirkung auslöst, allergische Reaktionen werden abgeschwächt. Die modernen Antihistaminika, also jene, die als zweite und dritte Generation bezeichnet werden, machen gar nicht mehr müde, denn diese Nebenwirkung wurde bei der Einnahme gegen Allergien von den meisten Betroffenen als unerwünscht empfunden.

"Für die schlaffördernde Wirkung muss man auf Diphenhydramin zurückgreifen, ein Antihistaminikum der ersten Generation, das als Schlafmittel zur Kurzbehandlung zugelassen und rezeptfrei ist", sagt Schopf. Er sieht den Einsatz des zum Beispiel als Calmaben vertriebenen Mittels beim Fliegen auch ein wenig skeptisch, "vor allem deshalb, weil Flugpassagiere nach der Ankunft ja ausgeruht und nicht durch Antihistaminika gedimmt sein wollen". Allerdings hilft Diphenhydramin auch bei Reisekrankheit gegen Erbrechen.

"Im Nachtdienst haben wir immer ein Stück Schokolade gegessen, das hat uns beim Wiedereinschlafen geholfen", sagt Rabady, "vielleicht hilft das ja auch in 10.000 Meter Höhe." (Karin Pollack, DER STANDARD, 1.7.2013)