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Demonstranten plünderten Montag das Hauptquartier der Muslimbrüder, am Abend stellte die Armee Morsi ein Ultimatum.

Foto: AP Photo/Khalil Hamra)

Bis Mittwochabend sollen Ägyptens Politiker sich darauf besinnen, "die Forderungen des Volkes zu erfüllen" – das sagte Verteidigungsminister und Armeechef Abdulfattah al-Sisi am Montagabend in einer Fernsehansprache. Andernfalls werde die Armee ihre "eigene Roadmap für die Zukunft des Landes anbieten". Keinesfalls hätte das Militär die Absicht, sich in die Regierungstätigkeit einzumischen.

Nach der nur dürftig verschleierten Drohung gegen die Regierung von Präsident Mohammed Morsi wurde dieser aktiv – im Internet. Morsi habe al-Sisi und Premierminister Hisham Kandil am Montag getroffen, hieß es auf Morsis Facebookseite.

Am Sonntagabend hatten bis zu 17 Millionen Ägypter an Protesten teilgenommen und dabei Morsis Rücktritt gefordert. Am Montag stürmten Demonstranten dann das Hauptquartier der Muslimbrüder im Kairoer Stadtteil Moqattam und verwüsteten es. Dort hatte es zuvor in der Nacht die schlimmste Gewalt am Rande der Massenproteste vom Sonntag zum einjährigen Jahrestag von Morsis Amtsantritt gegeben. Acht Menschen fanden bei den Demonstrationen in Kairo den Tod, dabei soll auch aus dem Gebäude der Muslimbrüder geschossen worden sein. Die Polizei hatte sich geweigert, Einrichtungen der Partei zu schützen. Als Konsequenz kündigte die Führung an, die Einrichtung von Selbstschutzkomitees zu prüfen. Insgesamt gab es sonntags mindestens 16 Tote und über 700 Verletzte.

Aus den Reihen von Polizei und Militär gab es während der Kundgebungen gegen Morsi viele Solidaritätsbezeugungen mit den Demonstranten. Aus Armeekreisen kamen auch die Schätzungen zu den Protestteilnehmerzahlen.

Auf alle Fälle waren an keinem der 18 Revolutionstage im Frühjahr 2011 so viele Leute auf der Straße wie am Sonntag. Auch die Organisatoren waren überrascht. Zwar hatten 22 Millionen ihre Initiative namens Tamarod (Arabisch: "Rebellion") für einen Rücktritt Morsis unterschrieben. Damit, dass so viele auch den nächsten Schritt tun, war aber nicht unbedingt zu rechnen gewesen.

Zum Erfolg beigetragen haben neben den angestammten Revolutionären vor allem die Mitglieder der sogenannten Sofa-Partei. So nennen die Ägypter jene, die sich zwar im Fernsehen Talkshows ansehen, aber bisher noch nie auf der Straße waren. Sie haben nun zu Zentausenden ihr Sofa verlassen, viele von ihnen deshalb, weil sie unter der Wirtschaftskrise leiden.

Einige Tausend Demonstranten haben während der Nacht auf dem Tahrir-Platz und vor dem Präsidentenpalast campiert. Am Montagabend schwoll ihre Zahl wieder an. In mehreren Provinzen wurden die Gebäude der Gouverneure besetzt. Auch in Kairo konnten die Angestellten der Mogamma, dem gigantischen Verwaltungskomplex am Tahrir, ihre Arbeit nicht aufnehmen. Vor der Rabaa al-Adawiya Moschee in Nasr City besteht auch das Zeltlager der Islamisten weiter, die Morsis Rücktritt verhindern wollen.

Vier Minister traten zurück

Am Montag erklärten vier Minister – keine Muslimbrüder – ihren Rücktritt, weil sie unzufrieden mit dem Krisenmanagement sind. Sprecher und Berater des Präsidenten haben zu einem Dialog aufgerufen. Der einflussreiche sunnitische Kleriker Youssef al-Qaradawi, eigentlich ein treuer Unterstützer der Muslimbrüder, riet Morsi, sich die Forderungen der Opposition anzuhören. Ein Führungsmitglied der salafistischen Nour-Partei meinte, vielleicht sei es erforderlich, dass der Präsident eine Volksabstimmung ausrufe und die Bürger befrage, ob sie Neuwahlen wollen oder nicht.

Die Opposition, die sich in der 30.-Juni-Front zusammengeschlossen hat, beharrte nach der erfolgreichen Mobilisierung auf ihren Forderungen und hatte Morsi schon vor dem Militärultimatum eine Deadline bis heute, Dienstag, 17.00 Uhr gesetzt. Tritt er bis dann nicht zurück, soll ein Marsch gegen Morsis Ausweichquartier, den al-Quba-Palast, organisiert werden. (Astrid Frefel, DER STANDARD, 1.7.2013)