Das Euro-Krisenland Portugal gerät kräftig in die Bredouille. Nur 24 Stunden nach dem Rücktritt von Finanzminister Vítor Gaspar nahm am Dienstag auch Außenminister Paulo Portas seinen Hut. Da Portas Chef des Demokratischen und Sozialen Zentrums CDS-PP, des kleineren Koalitionspartners der Sozialdemokraten (PSD) von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho ist, droht die Mitte-Rechts-Regierung zu zerbrechen und das im Ausland viel gelobte Sanierungsprogramm den Bach runterzugehen, denn ohne Unterstützung des CDS verfügt Coelho im Parlament über keine absolute Mehrheit mehr.

Kein Rücktritt des Ministerpräsidenten

Der portugiesische Ministerpräsident Pedro Passos Coelho hat aber seinen Rücktritt als Ausweg aus der jüngsten Regierungskrise ausgeschlossen. Er werde sein Amt nicht niederlegen, sondern in den kommenden Stunden nach einer Lösung suchen, sagte Coelho am Dienstagabend in einer Fernsehansprache. Ziel sei es, Stabilität und Vertrauen wiederherzustellen. Zugleich kritisierte er den Rücktritt von Außenminister Paulo Portas. Der Schritt habe ihn überrascht. Die Gefahr politischer Instabilität sei aber nicht wünschenswert, weshalb er den Rücktritt nicht akzeptieren werde.

Die Alarmglocken läuteten in Lissabon schon nach dem Rücktritt von Gaspar, des Architekten der harten Sparpolitik. Ombudsmann Alfredo Jose de Sousa hatte argumentiert, Gaspar sei in den vergangenen zwei Jahren, seit der Inanspruchnahme eines Hilfspakets von 78 Milliarden Euro, der wahre Regierungschef in Lissabon gewesen. Sein Weggang schwäche Passos erheblich, Präsident Anibal Cavaco Silva müsse nun handeln, sagte Sousa der Zeitung "Publico" in Anspielung auf die Forderung von Neuwahlen, die Opposition und Gewerkschaften immer lauter erheben.

Reform nicht durchzuziehen

Pedro Sousa Carvalho, Kolumnist der angesehenen Wirtschaftszeitung "Diario Economico", zeigt sich im Blatt überzeugt, Gaspar habe seinen Hut genommen, weil er gemerkt habe, dass die mit den Geldgebern vereinbarte Staatsreform wegen des zunehmenden Widerstandes auch bei Arbeitgebern und innerhalb der konservativen Regierung nicht durchzuziehen sei. "Und wenn der starke Gaspar das nicht kann, wer soll es können", fragt Sousa Carvalho (Dienstag).

Im Kampf gegen die Schuldenkrise hatte Gaspar harte Einsparungen und Steuererhöhungen durchgesetzt und wichtige Reformen angestoßen. Doch die lang anhaltende Rezession machte dem 52-Jährigen bei der Erreichung der Haushaltsdefizit-Ziele einen Strich durch die Rechnung. Die für 2012 veranschlagten 5,0 Prozent wurden gleich um 1,6 Prozentpunkte verfehlt. Das und die auf das Rekordniveau von mehr als 18 Prozent gekletterte Arbeitslosenrate höhlten das Vertrauen in die Sparpolitik zuletzt auch bei den liberalen Beobachtern aus.

Arbeitgeber haben Verständnis für Arbeiter

Beim Generalstreik vergangenen Donnerstag hatten erstmals alle wichtigen Arbeitgeberverbände Verständnis für die Streikenden geäußert. "Die Arbeiter haben allen Grund, empört zu sein", sagte der Chef des Industrieverbandes CIP, Antonio Saraiva (65). Solche Worte dürften Gaspar nicht geschmeckt haben. In seinem Rücktrittsschreiben nannte er als einen gewichtigen Grund die abnehmende Unterstützung.

Der Wachewechsel im Finanzministerium direkt am Tejo erfolgt in einer Phase, in der Portugal neue Einsparungen beschließen muss, um die Vorgaben der Geldgeber von der EU, der Europäischen Zentralbank (EZB) und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) zu erfüllen.

Nachfolgerin Albuquerque

Unter Gaspar-Nachfolgerin Maria Luis Albuquerque (45) werde die Sanierungspolitik unbeirrt fortgesetzt, betonte die Regierung vor dem Rücktritt von Portas. Man halte am Defizitziel von 5,5 Prozent für 2013 fest. Eine Lockerung der Ziele in Absprache mit den Geldgebern sei allerdings nicht ausgeschlossen, sagte ein Passos-Sprecher der staatlichen Nachrichtenagentur Lusa am Dienstag. Mit einem entsprechenden Antrag aus Lissabon sollte Brüssel auf jeden Fall rechnen, zumal Albuquerque unter Experten kaum Vertrauen genießt.

Portas ließ wissen, er stelle sein Amt zur Verfügung, weil er mit der Ernennung Albuquerques und auch mit der Fortsetzung der aktuellen Politik überhaupt nicht einverstanden sei.

Regierungschef könnte Finanzressort übernehmen

Die bisherige Staatssekretärin im Finanzministerium, zuständig für die Ausgabe von Staatsanleihen, ist in der Öffentlichkeit bisher kaum in Erscheinung getreten. Sie sei "eine sehr schwache Lösung", klagte unter anderen auch der angesehene Wirtschaftsprofessor Abel Fernandes von der Universität Porto. Der Verband der Unternehmer des Dienstleistungssektors CCP kritisierte, man hätte sich als Nachfolger jemanden gewünscht, "der der Realwirtschaft näher steht".

In Lissabon rechnen viele damit, dass der Regierungschef nun das Finanzressort in Wirklichkeit in die eigenen Hände nehmen wird. "Aber das ist sehr riskant für ihn. Wir jedenfalls werden diese Politik, die zur Firmenschließung en masse führt, weiter anprangern", erklärte der Präsident des Verbandes der Agrarunternehmer (CAP), Joao Machado. (APA, 2.7.2013)