Bild nicht mehr verfügbar.

Aus dem Fotoarchiv: Eine Gruppenberatung beim Arbeitsmarktservice Österreich.

Foto: apa/Guenter R. Artinger

Sich auf einem Blatt Papier für künftige ArbeitgeberInnen so attraktiv wie möglich zu beschreiben ist für so manche eine Herausforderung und kann zur echten Gratwanderung werden. Was soll man von sich verraten, welche Infos könnten nützlich sein? Dass man Kinder hat, dass man ledig ist oder gar, welche Hobbys eine in der Freizeit beschäftigen?

Antworten auf derartige Dilemmata bietet die Ratgeberliteratur für Bewerbungen. Unter anderem wird dort empfohlen: "Geben Sie die Anzahl Ihrer Kinder an. Ergänzen Sie in Klammern die Bemerkung 'versorgt'. So ist sofort zu erkennen, wie flexibel Sie sind."

An diesen Rat hielt sich auch Helga S.* Die Physikerin war monatelang auf Jobsuche und Kundin des Arbeitsmarktservice (AMS) Wien. Unzählige Bewerbungen gingen an Institute und Unternehmen, deren Ausschreibungen perfekt auf ihr Ausbildungsprofil passten, erzählt Helga S. gegenüber dieStandard.at. Allerdings blieben ihre Bewerbungen erfolglos. Schließlich erhielt sie von ihrer AMS-Betreuerin den Rat, sie solle weder in ihrem Lebenslauf noch in ihrer Bewerbung erwähnen, dass sie ein Kind habe oder die letzten Monate in Karenz war.

Kind als Hemmnis oder Katalysator

Diese Informationen potenziellen ArbeitgeberInnen vorzuenthalten sei "selbstverständlich", habe die AMS-Beraterin zu Helga S. gesagt, denn Kinder seien für Frauen am Arbeitsmarkt ein Hemmnis, für Männer hingegen ein Katalysator. Männer mit Kindern übernehmen Verantwortung - Frauen mit Kindern übernehmen Betreuungspflichten: so die dahinterstehenden Stereotype, die auch Helga S. von ihrer AMS-Beraterin vermittelt bekam. Die Information im Lebenslauf auszusparen konnte für die jobsuchende Helga S. also nur von Vorteil sein. Doch die Sache hat einen Haken: Was bei der Beratung als gut gemeinter Tipp vermittelt wurde, ist aus juristischer Sicht diskriminierend.

Gut gemeint - mit diskriminierender Wirkung

Die Juristin der Gleichbehandlungsanwaltschaft, Sandra Konstatzky, findet hier klare Worte: "Die Bezugnahme auf den Familienstand in einem Beratungsgespräch ist ganz klar gesetzeswidrig." Auch beim AMS scheinen Verantwortliche mit dieser Praxis keine Freude zu haben: Sowohl der AMS-Sprecher der Landesstelle Wien, Sebastian Paulick, als auch die Sprecherin des AMS Österreich, Beate Sprenger, stellen gegenüber dieStandard.at klar, dass derartige Ratschläge keine gängige AMS-Beratungspraxis seien. Dennoch könne nicht kontrolliert werden, welche Tipps AMS-BeraterInnen ihren KundInnen geben.

Gleichbehandlungsanwältin Konstatzky betont: "Das AMS täte gut daran, solche Beratungshinweise zu verhindern." Vergleichbar sei diese Beratungspraxis mit der Frage nach einem Kinderwunsch bei einem Bewerbungsgespräch - auch hier darf der Familienstand keine Rolle spielen. Wenn derartige Tipps nun vom AMS kämen, werde sich die Lage für Frauen - insbesondere für Mütter - am Arbeitsmarkt nicht verbessern, sondern im Gegenteil verschärfen, befürchtet die Gleichbehandlungsjuristin.

Helga S. hat sogar Schadenersatzanspruch

ArbeitgeberInnen sollen sich bewusst werden, dass ihre ArbeitnehmerInnen zwar private Verpflichtungen haben, diese aber irrelevant für das Berufsleben sind - das ist der gesellschaftspolitische Anspruch, der hinter dem Gleichbehandungsgesetz steht, erläutert Konstatzky. Ob der Rat der AMS-Beraterin nun gut oder auch schlecht gemeint war, spiele keine Rolle. Was hier zähle sei die "Wirkung". Hinzu kommt, dass das AMS als Berufsberatung Adressatin des Gleichbehandlungsgesetzes ist - damit ergibt sich für Helga S. sogar ein Anspruch auf Schadenersatz.

Die Gleichbehandlungsanwältin erinnert an die Möglichkeit, anonymisierte Bewerbungsverfahren einzuführen, um Diskriminierungen bei der Bewerbung zu vermeiden. Helga S. muss sich in naher Zukunft zumindest nirgends mehr bewerben: Kurz nachdem sie ihren Familienstand aus ihren Bewerbungsunterlagen strich, erhielt die Physikerin eine 38,5-Stunden-Stelle. Ob ein Zusammenhang zwischen befolgten AMS-Ratschlägen und neuer Stelle besteht, wagt sie nicht zu behaupten. (eks, dieStandard.at, 4.7.2013)