Unfreiwilliger Aufenthalt in Wien: David S. (50) und sein Sohn Raz. Ein Fremdenpassantrag für den Elfjährigen liegt unbearbeitet bei der Wiener Fremdenpolizei.

Foto: Seywald

Wien/Berlin - Raz S. ist elf Jahre alt und spricht drei Sprachen. Deutsch, weil sein Vater Deutscher ist, Spanisch, weil Familie S. in Spanien ihren Hauptwohnsitz hat - sowie Englisch. Der 2002 im westafrikanischen Gambia geborene, von David S. 2003 an Kindes statt angenommene Bub hat mit seinen Eltern auch schon in den Niederlanden und in Großbritannien gelebt: Familie S. ist in ganz Europa zu Hause.

Im Februar übersiedelte Raz' Vater, der seit 2004 auch das verbriefte Sorgerecht für den Buben hat, mit diesem aus gesundheitlichen und beruflichen Gründen für ein paar Monate nach Wien. Doch aus dieser laut Planung nur kurzen Zeit droht nun ein längerer Zwangsaufenthalt zu werden.

Deutsche Behörden zogen Pass ein

Denn Raz, der nach der Vaterschaftsanerkennung durch David S. seit 2003 als deutscher Staatsbürger galt und danach auch entsprechende Dokumente ausgestellt bekommen hatte, besitzt seit Anfang Juni keinen Pass mehr. Er kann Österreich nicht mehr legal verlassen.

Der Pass wurde von den deutschen Behörden nach einem Verlängerungsantrag "sichergestellt", sprich eingezogen. Begründung: Es sei "unklar, ob Sie der Vater im Sinne des deutschen Rechtes des Kindes Raz sind", beschied die deutsche Botschaft in Wien David S. am 22. März. Derlei Fälle gibt es laut Beratern immer wieder, obwohl mehrere UN-Konventionen die Länder zu deren Vermeidung verpflichten.

Streitpunkt Nachbeurkundung

Laut Botschaft muss Raz' Geburt "mittels einer Geburtsanzeige in einem deutschen Geburtenregister nachbeurkundet werden", um Abstammung und Staatsbürgerschaft des Buben zu klären. Andere offizielle deutsche Stellen kennen derlei Anforderungen jedoch nicht: "Es gibt keine gesetzliche Pflicht, ein im Ausland geborenes Kind in Deutschland nachbeurkunden zu lassen", teilte etwa das Standesamt I in Berlin David S. mit.

Kein Ausweg in Sicht

Dieser sucht nun verzweifelt nach einem Ausweg. "Mein Job in Wien endete am 30. Juni, ebenso Raz' Schuljahr im Realgymnasium am Wiener Henriettenplatz. In Spanien ist er fürs kommende Schuljahr schon angemeldet, daher wollen wir dorthin zurück. Aber das können wir nicht: weil Raz kein Reisedokument besitzt."

Der 50-Jährige hat bei der Wiener Fremdenpolizei einen Fremdenpass für den Buben beantragt, mit dem dieser reisen dürfte. Davor müsse geklärt werden, ob Raz als gambischer Staatsbürger gilt, wurde ihm mündlich mitgeteilt.

Vorsprechen in Botschaft in Brüssel

Zu diesem Zweck müssten Vater und Sohn bei der nächstgelegenen gambischen Botschaft vorsprechen - im belgischen Brüssel. "Ohne Reisepapiere? Davon würde ich abraten. Die Polizei könnte David S. den Buben im Fall eines Aufgriffs abnehmen", sagt dazu Marc Philipp Nogueira vom hessischen Netzwerk gegen Diskriminierung (Agah), einer im Auftrag der deutschen Bundes-Antidiskriminierungsstelle arbeitenden Institution im deutschen Wiesbaden.

"Weißer Vater, schwarzer Sohn: Hier sind offenbar Vorbehalte der Botschaftsbeamten im Spiel", meint Nogueira. Im Gespräch mit dem Standard appelliert er "an das Auswärtige Amt in Berlin". Dieses solle Entgegenkommen für David S. und Raz zeigen, denn derzeit würden ihnen künstlich Hürden in den Weg gelegt.

Kein Kommentar der deutschen Botschaft

Von der deutschen Botschaft in Wien gab es zu alldem keinen Kommentar. "Das Schlimme an dem Fall: Es ist Politik gegen das Kindeswohl. Raz droht jetzt Staatenlosigkeit", sagt der Berater. (Irene Brickner, DER STANDARD, 4.7.2013)