Japanische Forscher züchteten aus menschlichen pluripotenten Stammzellen "Knospen" aus Lebergewebe, die anschließend einer Maus implantiert wurden.

Foto: Takanori Takebe

London - Im Jahr 1981 wurden embryonale Stammzellen entdeckt, jene Zellen, die sich in verschiedenste Zelltypen und Gewebearten entwickeln können, und dennoch ist es seither nicht geglückt, etwas so Komplexes wie ein menschliches Organ daraus "wachsen" zu lassen. Wissenschafter rund um Takanori Takebe und Hideki Taniguchi von der Universität Yokohama sind diesem Ziel nun einen bedeutenden Schritt näher gerückt, wie sie im Fachjournal "Nature" berichten. Sie schafften es, menschliches Lebergewebe in einer Maus wachsen zu lassen, das ein eigenes Gefäßsystem entwickelte und entsprechende Stoffwechselfunktionen eines Organs erfüllte.

Grundlage der Forschungen waren so genannte induzierte pluripotente Stammzellen (IPS-Zellen), also beispielsweise Hautzellen, die zu Stammzellen verjüngt wurden. Die Forscher ließen sie zu Vorläufern von Leberzellen heranwachsen und vermengten sie mit weiteren menschlichen Gewebezellen. "Wir entdeckten, dass sich die Zellen unerwartet in einer dreidimensionalen Struktur organisierten", erklärt Studienerstautor Takanori Takebe. Eine "Leberknospe", wie die Forscher das so entstandene rudimentäre Organ nannten.

Die vier bis fünf Milimeter große Knospe implantierten die Forscher dann in den Kopf einer Maus - in den Kopf deshalb, weil dort das Gewebewachstum am einfachsten zu beobachten sei, erklärt Takanori Takebe. Die Minileber sei dort an einem Glasplättchen befestigt, das auch die Nutzung von Mikroskopen zuließ, um etwa die Bildung von Blutgefäßen zu verfolgen. Weitere Versuche folgten mit einer Transplantaion der Leberknospen in den Unterleib von Mäusen.

Die Knospe reifte im Maus der Kopf zu in funktionstüchtigem Lebergewebe. "Bei normal funktionierender Mausleber übernahmen die menschlichen Leberknospen einige Funktionen. Nachdem ein Leberversagen bei der Maus induziert wurde, erhöhte sich durch die Transplantationen des Organs aus IPS-Zellen die Wahrscheinlichkeit signifikant, dass die Maus überlebt", erklärt der japanische Forscher das therapeutische Potenzial der Technik. Die IPS-Leber produzierte Proteine und verstoffwechselte Medikamente. Grundsätzlich sei der Entstehungsprozess der IPS-Leber den normalen Vorgängen einer Organbildung in einem Embryo ähnlich.

Die menschliche Leber in der Maus stellt einen erst "proof of concept" dar, einen Beleg, dass die Vorläuferorgane auf Basis von IPS-Zellen transplantiert werden können. Der Weg zu therapeutischen Anwendungen beim Menschen sei aber noch weit. Versuche dazu könnten laut Takanori Takebe erst in etwa zehn Jahren stattfinden. Künftig könnte in Patienten mit Leberversagen die IPS-Knospen transplantiert bekommen, die dann im Körper zu Lebergewebe heranreifen. Probleme mit der Immunabwehr wie bisher wären obsolet.

Die Technik wollen die Forscher auch für andere Organe anwenden. Takanori Takebe arbeitet an IPS-Knospen einer Bauchspeicheldrüse. Auch Nieren und Lungen könnten dafür geeignet sein, so der Forscher. (pum, DER STANDARD, 4.7.2013)