Wenn in fast vier Milliarden Jahren die Andromeda-Galaxie mit unserer Milchstraße kollidiert, könnte der Sternenhimmel über der Erde möglicherweise so aussehen. Diese Ansichtssache illustriert, was man bei dem kosmischen Crash möglicherweise in ferner Zukunft von hier aus zu sehen bekommen würde.

Illustration: nasa, esa, z. levay and r. van der marel (stsci), t. hallas, and a. mellinger

Das Diagramm verdeutlich, wie vor etwa zehn Milliarden Jahren die Andromeda-Galaxie (rechts unten) beinahe mit der Milchstraße (an den Schnittpunkten der Achsen) kollidierte. Daraufhin entfernte sich die Andromeda-Galaxie maximal um drei Millionen Lichtjahre und nähert sich nun wieder der Milchstraße.

Grafik: Fabian Lüghausen/Uni Bonn

Unsere Milchstraße und die Andromeda-Galaxie bewegen sich mit rund 360.000 Kilometern pro Stunde aufeinander zu. Grund zur Sorge besteht trotzdem nicht, unsere Nachbar-Spiralgalaxie liegt gut 2,5 Millionen Lichtjahre entfernt. Damit dauert es vermutlich noch mehr als drei Milliarden Jahre, ehe es zum großen Crash kommt. Ein internationales Astronomen-Team setzte nun eine neue Methode zur Berechnung der Bewegung der beiden Galaxien ein, die auf die Annahme von Dunkler Materie verzichtet. Das Ergebnis weist darauf hin, dass sich die Milchstraße und die Andromedagalaxie bereits einmal bedrohlich nahe kamen: vor rund zehn Milliarden Jahren schrammten die beiden Sternensysteme möglicherweise knapp an einer Kollision vorbei.

Viele Wissenschafter gehen davon aus, dass unsere Galaxie in mindestens drei Milliarden Jahren mit der benachbarten Andromeda-Galaxie zusammenstoßen wird. "Beide Galaxien rasen mit rund 100 Kilometer pro Sekunde aufeinander zu", sagt Pavel Kroupa vom Argelander Institut für Astronomie der Universität Bonn. Tempo und Richtung dieser kosmischen Schnellzüge auf Kollisionskurs haben Wissenschafterteams mit verschiedenen Methoden bestimmt, darunter etwa durch Analyse von Spektrallinien oder von Quasaren.

Das Universum dehnt sich aber aus, die Galaxien müssten demzufolge also auch zueinander auf Distanz gehen. Als Erklärung für dieses Dilemma ziehen die meisten Astronomen die rätselhafte Dunkle Materie heran, von der fünfmal so viel im Weltraum vorhanden sein soll wie von der sichtbaren Materie. Nach gängiger Vorstellung der Wissenschaft sorgt diese unsichtbare Substanz für eine so starke Gravitationswirkung, dass sich beide Galaxien einander annähern.

Es geht auch ohne Dunkle Materie

Hongsheng Zhao von der University of St Andrews (Schottland) und ein Team von Astronomen der Universitäten Bonn und Straßburg haben nun Berechnungen durchgeführt, deren Ergebnisse in eine ganz andere Richtung weisen: Sie nutzten nicht das herkömmliche Gravitationsmodell, das auf Newton, Einstein und der Dunklen Materie fußt, sondern einen Ansatz von Mordehai Milgrom vom Weizmann Institut in Israel aus dem Jahr 1983, der ohne Dunkle Materie auskommt.

Nach den aktuellen Berechnungen mit dieser Methode kam es bereits vor rund zehn Milliarden Jahren zwischen der Milchstraße und der Andromeda-Galaxie zu einer Beinahe-Kollision. "Beide rotierenden Sternsysteme kamen sich dabei so nahe, dass Materie herausgeschleudert wurde, die sich dann zu langen Gezeitenarmen und neuen Zwerggalaxien anordnete, die heute noch zu beobachten sind", berichtet Benoit Famaey von der Universität Straßburg.

Elegante Erklärung für heutige Anordnung der Galaxien

Dieses Ereignis vor zehn Milliarden Jahren erklärt elegant die heutige Anordnung der scheibenförmigen Galaxien und ihrer Ausläufer, argumentieren die Wissenschafter. "Nur wenn kein Einfluss Dunkler Materie vorhanden ist, lässt sich darstellen, wie sich die Milchstraße und die Andromeda-Galaxie nahe kommen können, ohne dabei zu verschmelzen", sagt Zhao. Die Dunkle Materie hätte ansonsten die Sterne in den beiden Galaxien abgebremst wie einen Stein, der in Honig fällt. Im Ergebnis hätten dann die beiden Galaxien nicht getrennt weiterexistieren können.

Die Zwerggalaxien in unmittelbarer Nachbarschaft von Milchstraße und Andromeda-Galaxie seien die "rauchenden Pistolen", die vom Beinahe-Crash der beiden Sternsysteme zeugten, so die Forscher. "Deren Anordnung in zwei riesigen Scheiben, welche jeweils die Milchstraße und die Andromeda-Galaxie noch heute umgeben, lassen praktisch keine andere Erklärung zu", erklärt Kroupa.

Ein neues aufwendiges Computermodell soll nun die Vergangenheit und Zukunft des Annäherungskurses der beiden Galaxien noch genauer berechnen und ohne einen Beitrag der Dunklen Materie auskommen. "Sollten die Ergebnisse aus dem geplanten Computermodell unsere These stützen, dass zur Erklärung der Galaxien-Entstehung keine Dunkle Materie erforderlich ist, müsste die Geschichte des Universums von Grund auf neu berechnet werden", sagt Kroupa. (red, derStandard.at, 06.07.2013)