Spielen Sie den "Landwirtschaftssimulator" und hören dabei Dubstep?

Foto: Screenshot/Montage

So sehr man Massenphänomene ob der eigenen Abscheu auch herunterzuspielen oder zu ignorieren versucht, kann sich ihnen nie zur Gänze entziehen. Mir ging es lange mit Dubstep und Landwirtschaftssimulatoren so - zwei Hypes, die ich zwar aus professioneller Sicht und vielleicht auch ein wenig emotional nachvollziehen kann, gegen die ich mich aber gestern wie heute sträube. Als das Wunder des Internets, wie Microsoft es ausdrücken würde, jedoch diese beiden scheinbar gänzlich gegensetzlichen Schöpfungen mit Hilfe modernster Videoschnittverfahren zusammenfügen konnte, musste selbst die Grumpy Cat, die anstelle des Herzens in meinem Brustkorb sitzt, ein Lächeln von sich geben.

The Sound of the Future

Meine allergische Reaktion auf Dubstep hat eigentlich nichts mit der Musikrichtung selbst zu tun. Ich bin ein Alleshörer, in alle Richtungen, in allen Lautstärken. Doch als die Videospielindustrie vor zwei Jahren unisono zu der Erkenntnis gelangte, dass jeder Spieletrailer mit unrhythmischen Beats bei der Masse besser ankommt, legte es irgendwo in meinem Schmerzzentrum einen Schalter um. Nur weil clevere DJs herausfanden, dass melodiezerfetzende Bässe direkt vom Gehör ins Sehzentrum vorstoßen und die Synapsen derart stimulieren, dass viel zu schnelle und nichtssagende Bildzusammenschnitte ungleich cooler aussehen, konnte es doch nicht sein, dass jegliche andere Art der Musik plötzlich ihre Daseinsberechtigung verloren hat. Glücklicherweise wurde mein Verzweiflungsschrei erhört und es setzte bereits zum Jahreswechsel ein Umdenkprozess ein, der uns grandios vertonte Trailer wie zu "The Last of Us", "Levithian Warships" oder zuletzt "Destiny" bescherte. Ziemlich cool auch ohne Dubstep.

(Video: Syndicate Announce Trailer)

Something about Farming

Gleichzeitig versuchte ich die vergangenen Monate die landwirtschaftliche Bewegung in der Unterhaltungsindustrie auszublenden. Jedes Jahr aufs neue belächelt, schlich sich Anfang des Jahres scheinbar aus dem Nichts heraus ein Landwirtschaftssimulator an die Spitze der weltweiten Verkaufscharts (nicht nur im Sim-Land Deutschland!). Nicht "FIFA", nicht "Tomb Raider", nicht "Call of Duty", sondern Pflugmaschinen führten auf einmal die Bestsellerlisten an. Was war geschehen? Wie konnte die Supermarktgesellschaft so plötzlich Interesse an der Herstellung ihrer Nahrung aufbringen? Sind wir alle auf einen Schlag verantwortungsbewusst geworden, dass wir uns mehr für ökologischen Weizenanbau begeisterten? Oder war der EU verschriebene Härtegrad der Tomaten das neue Coolheitsdiktat? Da wird vor der Weltpresse in Los Angeles eine neue Spielegeneration vorgestellt und die Fachmedien schreiben vom bevorstehenden Konsolendebüts des "Farming Simulator" im September. Wer braucht schon bessere Grafiken, lebensnahe künstliche Intelligenz und prodezural wachsende Onlinewelten, wenn das digitale Rapsöl den roten Traktor in unserer Brust höher schlagen lässt.

(Video: "Farming Simulator" on Console)

Fusion

Natürlich kommt das nicht alles überraschend. Es wurde doch schon lange prophezeit, dass die Millionen "Farmville"- und "Hay Day"-Gelegenheitsspieler angefixt von der Gaming-Droge eines Tages ihren Weg zu anspruchsvolleren Spielsystemen finden würden. Dass sie dann auf PlayStation und Xbox doch nur die nächste Stufe des Kühemelkens spielen würden, wurde natürlich verschwiegen. Um zurück zum Dubstep zu gelangen: Schlaue Marktbeobachter vermuten, dass der virtuelle Bauerntrend dem richtigen Ton seinen Evolutionssprung zu verdanken hat. Mit dem richtigen Beat wirkt selbst ein Erntefahrzeug wie ein Lowrider. Eine geglückte Fusion, zweier ganz eigener Begleiter, wie ich finde. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 6.7.2013)

(Video: Farming Simulator Mad Skill)

Die Top 5 der Woche

  1. Nvidia-GTX-700-Serie im Test: Grafik-Power für jeden Geldbeutel 
  2. Microsoft: Vergleich von Xbox One und PS4 "sinnlos", aber Xbox One ist besser
  3. Xbox-One-Desaster, Neuausrichtung: Weshalb trat der Xbox-Chef zurück?
  4. Microsoft: Xbox One und Kinect von Grund auf für Werbung entwickelt
  5. "Destiny": Das fantastische Ende der Menschheit