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Obama ist derzeit wenig erfreut von seinem afghanischen Gegenüber Karzai: Die beiden können sich auf ein Truppentstatut für nach 2014 einigen. Jetzt droht Obama mit dem Komplettabzug der US-Truppen.

Foto: Pablo Martinez Monsivais/AP/dapd

Washington/Kabul - Aus Ärger über die Politik des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai erwägen die USA nach Angaben aus US-Regierungskreisen den vollständigen Abzug ihrer Truppen vom Hindukusch. US-Präsident Barack Obama und Karsai hätten ihre Differenzen in einer eigens dazu anberaumten Videokonferenz Ende Juni nicht beigelegt, berichtete die New York Times am Dienstag unter Berufung auf Regierungskreise beider Länder. Seither werde der Komplettabzug nicht mehr nur für ein Katastrophenszenario erwogen, sondern von beiden Regierungen ernsthaft geprüft.

Obama und Karsai ringen seit langem erfolglos um ein Truppenstatut, unter dem die USA auch nach dem Abschluss des Kampfeinsatzes Ende 2014 etwa 8000 Soldaten am Hindukusch lassen wollen. Karsai hatte die Verhandlungen im Juni verärgert ausgesetzt, nachdem die USA offene Friedensverhandlungen mit den radikal-islamischen Taliban angekündigt hatten.

Ohne die Militärmaschinerie der USA, die das Rückgrat des internationalen Afghanistaneinsatzes ist, müssten auch Deutschland und die übrigen Teilnehmerländer ihre Truppen vom Hindukusch abziehen. Die deutsche Bundeswehr hat bereits mehrere Feldlager geschlossen, will aber 600 bis 800 Soldaten auch nach 2014 im Land lassen, um die afghanischen Sicherheitskräfte weiter auszubilden und zu beraten.

Afghanische Regierungskreise interpretierten die Aussagen aus Washington als leere Drohungen. "Beide Seiten verstehen, einander unter Druck zu setzen", hieß es am Dienstag in Kabul. "Aber sowohl die USA als auch Afghanistan sind sich völlig darüber im Klaren, dass die Präsenz der ausländischen Truppen - besonders der amerikanischen - auch nach 2014 entscheidend für die Sicherheit hier und in der ganzen Region ist". Die USA würden dies nicht aufs Spiel setzen.

Vergleich mit Sowjet-Abzug

Die Vergangenheit habe gezeigt, dass das Land sonst ins Chaos abgleite: Mit diesem Hinweis erinnerte der Regierungsvertreter an den Bürgerkrieg, der nach dem Abzug der Sowjettruppen 1989 in Afghanistan ausbrach und schließlich die Taliban an die Macht spülte.

Allerdings wollten die USA auch im Irak nach dem Ende des Krieges Truppen stationiert lassen. Die Verhandlungen mit der irakischen Regierung scheiterten damals, die USA zogen als Konsequenz sämtliche Soldaten ab.

Die USA haben momentan noch 63.000 Soldaten am Hindukusch stationiert, Deutschland etwa 4300. Die USA waren nach den Terrorangriffen von Al-Kaida des 11. September 2011 in Afghanistan einmarschiert, um die Taliban zu stürzen. Sie warfen dem Regime vor, Mitgliedern von Al-Kaida Unterschlupf zu gewähren. (Reuters/red, DER STANDARD, 10.7.2013)