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Sonja Ablinger muss um ihr Nationalratsmandat zittern: Ob Prammer über die Bundesliste einzieht, ist weiterhin unklar.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Wien - Die Nationalratsklubs hätten mittlerweile einen "inhärenten Zug des Konformismus", sagt Walter Posch. Der 59-jährige Ex-SPÖ-Abgeordnete spricht aus Erfahrung. 2005 stimmte der damalige rote Menschenrechtssprecher als einziger SPÖler im Parlament gegen die neuen Fremdengesetze.

Die Konsequenz: Im Jahr darauf wurde er von seiner Partei abserviert. "Die SPÖ hat Probleme mit widerspenstigen, nichtpopulistischen Positionen", sagt er. "Mutige, geradlinige Mandatare wie Ablinger fallen dem zum Opfer."

Sonja Ablinger muss derzeit um ihren Nationalratsplatz zittern. Die Mandatarin stellt sich mit ihrer Stimme hin und wieder gegen ihre 56 Klubkollegen: So hat sie etwa gegen den Fiskalpakt gestimmt oder bei der Abstimmung zum Fremdenrechtspaket den Saal verlassen.

Parteispitze will unbequeme Abgeordnete loswerden

Wie der STANDARD berichtet hat, soll die Parteispitze einen Weg gefunden haben, die unbequeme Mandatarin loszuwerden. Damit Ablinger einziehen kann, müsste Nationalratspräsidentin Barbara Prammer über die Bundesliste in den Nationalrat kommen - das soll ihr Oberösterreichs SPÖ-Chef Josef Ackerl nach Druck der Landespartei zugesichert haben.

Im Büro von Prammer will man von einem Wunsch aus der SPÖ Oberösterreich jedoch nichts wissen - genauso wenig wie die Bundespartei, die jegliche Einflussnahme dementiert und auf einen parteiinternen Beschluss verweist, dem zufolge Prammer das untere Landeslistenmandat annehmen muss. Und dem auch Ackerl und Ablinger zugestimmt hätten. Prammer will sich aber erst nach der Wahl entscheiden.

Dass sie nichts von der Vereinbarung mit Ackerl wissen will, irritiert Ablinger nun: Die Nationalratspräsidentin sei bei dem Gespräch immerhin selbst anwesend gewesen. Aus Prammers Büro heißt es, sie sei generell "an einem möglichst hohen Frauenanteil im Parlament interessiert". Sie habe sich schon bei der Regierungsangelobung 2007 dafür eingesetzt, dass Ablinger ins Hohe Haus nachrücken kann. Bei der Wahl 2006 hatte sie jedoch, wie berichtet, das Landeslistenmandat angenommen und damit Ablinger auf die Warteliste verbannt.

Ein Ausscheiden von Ablinger aus dem Nationalrat würde der Grüne Karl Öllinger bedauern. "Wenn die SPÖ auf eine kritische, linke Stimme verzichten will, dann fände ich das sehr schade", sagt er. Eine Art Klubzwang wie bei SPÖ und ÖVP spüre er bei den Grünen nicht, seit mehr in Richtung Regierungsverantwortung gedacht werde, lege die Parteispitze aber Wert darauf, Geschlossenheit zu demonstrieren. Dennoch sei in den anderen Klubs während der Abstimmungsphasen auch der psychische Druck viel höher. "Mandatare werden geschnitten, es wird kaum mit ihnen geredet", sagt Öllinger.

"Mehr Zivilcourage"

"Das muss einem egal sein", bestätigt Ex-ÖVP-Abgeordneter Ferry Maier, der, nachdem er sich mit dem schwarzen Klubobmann Karlheinz Kopf zerstritten hatte, aus dem Parlament ausschied. Er findet, "mehr Zivilcourage würde dem Hohen Haus guttun". SPÖ-Klubobmann Josef Cap würde immerhin noch größeres Verständnis für Querdenker aufbringen als Kopf. Der führe in seinem Klub ein strenges Regiment.

Sollte Ablinger aus dem Parlament fliegen, weil sie "sagt, was sie denkt, und dafür einsteht, dann ist das ein Anschlag auf die Demokratie" , sagt Maier. Anders sieht das Josef Kalina, Ex-SPÖ-Politiker und jetziger Politikberater: "Politik funktioniert nicht ohne Loyalität und Mehrheitsfindung. Wer nichts mittragen kann, muss ja nicht ein Mandat übernehmen", schreibt er auf dem Nachrichtendienst Twitter. Wenn Ablinger die Politik der Roten nicht mittragen könne, solle sie eben auf einer anderen Liste kandidieren. (Saskia Jungnikl und Philipp Stadler, DER STANDARD, 11.7.2013)