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Premier Jean-Claude Juncker Donnerstagnachmittag auf dem Weg zu Großherzog Henri. Umfragen zufolge sehen 63 Prozent der Bürger die Geheimdienstaffäre nicht als Rücktrittsgrund.

Foto: REUTERS/Charles Caratini

Pyrrhussieg. So nennt man seit der Antike einen Erfolg, bei dem der Sieger mindestens ebenso geschwächt aus einem Kampf hervorgeht wie der unterlegene Gegner. Dies könnte im Fall des Bruchs der luxemburgischen Regierung aus Christdemokraten und Sozialisten unter Premierminister Jean-Claude Juncker auf den deutlich kleineren linken Koalitionspartner zutreffen.

Dem Abgeordneten der Arbeiterpartei war die Sorge, nur einen Pyrrhussieg errungen zu haben, Mittwochnacht auch anzusehen, nachdem Juncker am Ende einer siebenstündigen hitzigen Debatte zu den Skandalen der ihm unterstellten Geheimdienste im Par­lament die Notbremse gezogen hatte. Als einige SPler in einem Café vis-à-vis der "Kammer" die Nachbesprechung abhielten, herrschte eher trübe Stimmung.

Wie berichtet, hat Juncker im Plenum jede persönliche Schuld und Verantwortung für die Affären zurückgewiesen. Er weigerte sich zurückzutreten, worauf manche Gegner gehofft hatten. Er forderte die Opposition und die SP im Gegenzug auf, ihn per Misstrauensvotum zu stürzen, wenn man ihm nicht glaube.

Dazu kam es aber nicht, weil die SP zauderte und weil der Premier blitzartig seine Taktik änderte und auf offener Bühne den Bruch der Koalition verkündete. Er hätte sich "nie gedacht, dass die Sozialisten mir ein Bein stellen". Die Gelegenheit bot sich, weil die Opposition zwar einen Antrag zu seiner Abwahl vorbereitet hatte. Aber die Sozialisten kamen selber nur mit einem Neuwahlantrag.

Hintergrund ist, dass die SP-Minister selber noch länger im Amt bleiben wollten. Das Kalkül, dass Juncker entnervt aufgeben und den Weg zu einem "Neuanfang" ohne ihn freigeben würde, ging nicht auf. Im Gegenteil. Er kündigte an, erneut antreten zu wollen und um den Verbleib als Premier zu kämpfen. Seine Chancen stehen gar nicht so schlecht.

Zunächst einmal hat er das Gesetz des Handelns behalten. Die Regierung beschloss Donnerstagvormittag, dass sie beim Großherzog um die Vorverlegung der Wahlen von Mai 2014 auf Oktober 2013 ansuchen wolle. Bis dahin wird sie voll im Amt und handlungsfähig bleiben – mit Juncker als Premier, was Wirtschaftsminister Etienne Schneider (SP) bestätigte.

All das trug Juncker Großherzog Henri am Nachmittag vor. Bereits am Abend eröffnete die Partei Junckers, die CSV, den Wahlkampf und bestimmte ihn zum Spitzenkandidaten für die Neuwahl. Die Christdemokraten stehen voll hinter ihrem seit 18 Jahren regierenden Dauerchef. Aber nicht nur strategisch, auch im Meinungsbild der Bevölkerung sieht es für Juncker, der sich als "Opfer" der Roten gebärdet, nicht schlecht aus.

Nach einer RTL-Umfrage sagen 71 Prozent der Luxemburger, der Premier trage die Verantwortung für die Geheimdienstaffäre. Aber satte 63 Prozent der Bürger sehen das nicht als Grund, von der politischen Bühne abzutreten. Eine Mehrheit war gegen Neuwahlen.

Die Christdemokraten dominieren das Land seit dem Krieg. Juncker hat zuletzt 2009 einen großen Wahlerfolg errungen. Die CSV verfügt seither im Parlament über 26 von 60 Sitzen, die Sozialisten über 13, die Liberalen über 9 und die Grünen über 7 Mandate.

Selbst wenn die Christdemokraten im Oktober Stimmen verlieren, gehen Beobachter davon aus, dass die Sozialisten davon nicht profitieren, sondern auch verlieren. Nach dem missglückten Sturz des Premiers stehen sie als "Verräter" da. Das Vertrauen zur CSV ist zerstört. Junckers Partei wird nach den Wahlen vermutlich aus drei Optionen wählen können, mit wem sie weiterregieren will: auch mit den Liberalen oder den Grünen. Die SP könnte sich als Opposition wiederfinden. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 12.7.2013)