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Tot, aber laut russischem Gerichtsurteil schuldig: Anwalt Sergej Magnitski. 

Foto: ap photo/alexander zemlianichenko

Sergej Magnitski wird nicht rehabilitiert. Ein Moskauer Bezirks­gericht hat den 2009 in einem Moskauer Untersuchungsgefängnis ums Leben gekommenen Juristen der Steuerhinterziehung für schuldig befunden. Insgesamt sollen er und sein Chef, der Gründer des Fonds Hermitage Capital, William Browder, den russischen Fiskus um umgerechnet etwa 13 Millionen Euro betrogen haben. Während gegen den toten Magnitski keine Strafe verhängt wurde, verurteilte das Gericht Browder in Abwesenheit zu neun Jahren Haft.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärte, man habe von Großbritannien die Auslieferung Browders gefordert. Wie später bekannt wurde, hat London das Ansinnen abgelehnt. Browder, gebürtiger US-Amerikaner, besitzt einen britischen Pass.

Der Fall Magnitski hatte weltweit für Aufsehen gesorgt. Der Jurist wurde 2008 wegen Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung inhaftiert. Kurz vor seiner Verhaftung hatte er selbst noch schwere Korruptionsvorwürfe ge­gen russische Beamte erhoben. Diese seien in Steuerbetrugsvorgänge mit einem Schaden von 5,4 Milliarden Rubel (130 Millionen Euro) verwickelt, sagte Magnitski. Seine Verhaftung hatte er als Repression bezeichnet. Er sei nicht schuldig, betonte der Wirtschaftsprüfer. Nach einem Jahr in U-Haft starb Magnitski im Alter von 37 Jahren an Herzversagen. Bürgerrechtler sagten, Ma­gnitski sei vor dem Tod misshandelt worden. Die offiziellen Ermittlungen wegen unterlassener Hilfeleistung verliefen ebenso im Sand wie die Untersuchungen zu den von Magnitski erhobenen Korruptionsvorwürfen.

Der Skandal führte unter anderem zur Verabschiedung des Anti-Magnitski-Act in den USA, der ein Einreiseverbot und das Einfrieren amerikanischer Konten mutmaßlich an dem Fall beteiligter russischer Beamter vorsieht. Russland reagierte darauf mit seiner eigenen schwarzen Liste von US-Beamten, die Moskau der Menschenrechtsverletzungen für schuldig hält, sowie mit einem allgemeinen Adoptionsverbot für US-Ameri­kaner.

Vorgehen gegen NGOs

Die Magnitski-Causa weist Parallelen zur NGO-Problematik in Russland auf. In beiden Fällen klagt der Kreml über eine Einmischung in innere Angelegenheiten. Nach den scharfen Kontrollen gegenüber rund 1000 Bürgerrechtsorganisationen in Russland im Frühjahr erklärte Generalstaatsanwalt Juri Tschaika nun in seinem Rapport, dass 22 Organisationen unter den Begriff "ausländische Agenten" fielen.

Tschaika richtete in dem Zusammenhang Vorwürfe an die Botschaften der USA, Großbritanniens, Belgiens, der Niederlande und der Schweiz. Sie alle sollen direkt NGOs in Russland finanzieren. Dies verstoße gegen die Wiener Konvention, klagte Tschaika. Ein europäischer Diplomat wies die Vorwürfe zurück.

Tschaika schoss aber auch gegen den Menschenrechtsrat des russischen Präsidenten, der gegen die Verfolgung der NGOs protestiert hatte. Laut dem Generalstaatsanwalt ist der Rat selbst von ausländischen Agenten unterwandert. (André Ballin, DER STANDARD, 12.7.2013)