Der Bruder schneidert seine Anzüge, seine Seilschaften sind legendär, seinen Vorgänger verteidigt er: Karl Sevelda.

Foto: STANDARD/Hendrich

Karl Sevelda: Ich bin nicht sehr sparsam, nicht knausrig, gebe sehr viel Geld für Reisen und schöne Hotels aus ...

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...Jetzt wissen Sie, wo mein Geld hinfließt.

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Standard: Sie waren jüngst beim Konzert von Elton John. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie Sie da das Feuerzeug hochhalten, wenn er "Candle in the wind" singt.

Sevelda: Warum nicht? Weil ich kein Feuerzeug habe? Ich mag Elton John sehr. Ich tanze ja auch gern, auch modern. Meine Frau behauptet zwar, ich könne nicht tanzen, aber ich behaupte, dass ich gar nicht so schlecht bin.

Standard: Spielen Sie noch oft Klavier?

Sevelda: Manchmal. Ich habe mir einen renovierten Steinway-Flügel gegönnt und früher oft mit den Kindern meiner Frau gespielt. Ich bin aber kein toller Spieler, das Schwierigste, zu dem ich es gebracht habe, ist Beethovens "Wut über den verlorenen Groschen".

Standard: Passt gut zum Banker.

Sevelda: (lacht) Das stimmt.

Standard: Sie waren ja auch in der Tristan-Premiere unlängst.

Sevelda: Aber Elton John war kurzweiliger. Ich liebe zwar Opern, aber am liebsten sind mir die, bei denen ich mitsingen kann. Die klassischen halt: Verdi, Puccini, Mozart ...

Standard: Ich frage, weil Sie ja eigentlich heuer in Pension gehen wollten. Da hätten Sie Ihre Hobbies pflegen können – und Ihre Leidenschaft für die Politik.

Sevelda: Ja, das war der Plan. Wobei ich nicht den Ehrgeiz des Frank Stronach habe, eine Politikerkarriere zu starten. Aber ich wollte die Leute stärker unterstützen, die eine vernünftige Politik machen, also die Wahlplattform Liberales Forum LIF und Neos. Aber am meisten tut mir weh, dass ich mich nicht wie geplant mehr um meine kleine Enkelin kümmern kann. Zu ihr komme ich immer nur auf Blitzbesuch, sie nennt mich Blitzopa.

Standard: Sie hätten ja absagen können. Sie haben den Job aus Gehorsam übernommen?

Sevelda: Aus Loyalität dem Unternehmen gegenüber, aus Ehrgeiz –  und natürlich ist Eitelkeit dabei.

Standard: In der Raiffeisen Zeitung sagten Sie, man habe sie telefonisch gefragt, ob Sie den Job antreten wollen, Sie hätten "wie bei einer Hochzeit ein leises Ja gewispert" ...

Sevelda: Ein bisschen pathetisch, gell? Das war aber wirklich so.

Standard: Bei Ihren Hochzeiten haben Sie auch nur gewispert?

Sevelda: Da habe ich so viel geweint. Sie nicht?

Standard: (lacht) Das ist sehr lang her. Nachher habe ich mehr geweint. Weil Sie zuerst von Eitelkeit gesprochen haben: Sind Sie sehr eitel?

Sevelda: Maßvoll. Ich muss nicht immer topmodisch gekleidet sein.

Standard: Ist Ihr Anzug von Ihrem Bruder, dem Maßschneider?

Sevelda: Alle meine Anzüge sind von ihm. Schauen Sie (öffnet das Sakko und zeigt das Etikette): Ich habe da "Sevelda" stehen. Die Leute glauben immer, ich bin so ein Snob, dabei ist nur mein Bruder Schneider.

Standard: Sie haben bisher 800.000 Euro verdient, wie viel bekommen Sie als Chef?

Sevelda: Ich weiß es noch nicht. Aber ich habe sowieso sehr wenig Beziehung zu eigenem Geld. Ich bin nicht sehr sparsam, nicht knausrig, gebe sehr viel Geld für Reisen und schöne Hotels aus. Jetzt wissen Sie, wo mein Geld hinfließt.

Standard: Sie haben aber auch einmal einen großen, alten Chevrolet gefahren. Den haben Ihnen Ihre Freunde doch zum Geburtstag geschenkt ...

Sevelda: Jaaaa, zum Vierziger. Allein die Versicherung hat mich so viel gekostet wie sie die Anschaffung: 9000 Schilling. Das Peinliche war, dass sie mich eine Woche lang jeden Tag zu zweit in Livree abholten und in die Bank geführt haben. Um punkt acht Uhr, als alle Leute in die Bank geströmt sind, hielten sie vor dem Haupteingang der Creditanstalt in der Schottengasse und hielten mir den Schlag auf. Das war so peinlich. Und am letzten Tag ...

Standard: ... stand hinter Ihnen der Generaldirektor.

Sevelda: Nein, sein Stellvertreter, Gerhard Randa. "Ist das dein neues Auto?", hat er mich nur spitz gefragt.

Standard: Und Sie wundern sich, dass er Sie nicht in den Vorstand geholt hat.

Sevelda: Das hat dann Raiffeisen getan.

Standard: Apropos. Sie waren 25 Jahre in der CA, in den Vorstand haben Sie es dort eben nicht geschafft. In die Raiffeisen Zentralbank sind Sie dann unter CA-Chef Randa gegangen. Hartnäckig hält sich das Gerücht, Sie hätten ihn damals geohrfeigt ...

Sevelda: Nein, nein. Aber wir hatten eine wirklich massive Auseinandersetzung, als ich ihm meinen Wechsel zu Raiffeisen mitgeteilt habe. Da war er wirklich sauer auf mich.

Standard: Zurück zur Gegenwart. Sie haben keine Stiftung und Veranlagungen in Steueroasen, im Gegensatz zu Ihrem Vorgänger Herbert Stepic?

Sevelda: Nein, habe ich nicht. Ich habe ein Haus, eine Wohnung, die mit Krediten belastet ist, und ich lebe in einer Mietwohnung.

Standard: Über einer Oberbank-Filiale. Passt das zur Compliance?

Sevelda: Die Bank sehe ich nicht, weil wir Mieter haben einen Seiteneingang. Einer der Mitbewohner ist ein russischer Geschäftsmann, der arbeitet auch im Haus ...

Standard:  ... da sind Sie sicher bestens bewacht und abgehört.

Sevelda: Ich dachte, das sind Brandmelder, nicht Mikrofone.

Standard: Welche Folgen haben die finanzstrafrechtlichen Ermittlungen der Justiz gegen Stepic? Er ist noch bis Mitte 2014 bei der RBI beschäftigt.

Sevelda: In meinen Augen gilt da die Unschuldsvermutung.

Standard: Als sein Stellvertreter wussten sie nichts von seinem Hypo-Kredit, Veranlagungen und hohem Einkommen. Enttäuscht?

Sevelda: Was Steuern anlangt, hat in der Gesellschaft ein Sinneswandel stattgefunden. Steuersparmodelle sind aber an sich nichts Verwerfliches und Illegales. Das sind Dinge, die jeder für sich selbst entscheiden muss.

Standard: Wo bleibt die berühmte Raiffeisen-Ethik?

Sevelda: Darf ich Sie bitten, all das drei Türen weiter zu fragen? Da ist das Zimmer unseres Aufsichtsratspräsidenten.

Standard: Für Sie ist Stepic "einer der größten Banker dieses Landes".

Sevelda: Das ist er.

Standard: Wer ist größer?

Sevelda: (lacht) Ich gestehe, ich bin ein Androsch-Fan. Er war ein exzellenter Creditanstalt-Chef mit enormem Weitblick, und er hat die Leute zu Eigeninitiative ermutigt. Seinen Vorgänger Heinrich Treichl habe ich nur aus der Ferne erlebt, außer bei seinen Gesprächen mit dem CA-Betriebsrat, dem ich ja angehört habe.

Standard: Hat er Französisch mit Ihnen geredet? CA-Chefs sprachen, als Belegschaftsvertreter in den Aufsichtsrat kamen, gern Französisch.

Sevelda: Das weiß ich nicht, ich kann nicht Französisch.

Standard: Stepic kennt fast alle maßgeblichen Kunden und Politiker im Osten; von Putin abwärts. Wie wollen Sie das aufholen?

Sevelda: Putin kenne ich auch persönlich, seit dem Staatsbesuch Heinz Fischers in Russland. Da waren wir in sehr kleinem Kreis bei ihm eingeladen und konnten zwei, drei Stunden mit ihm reden.

Standard: Lupenreiner Demokrat?

Sevelda: Sie führen mich aufs Glatteis. Putin hat für die Russen sehr viel gemacht und dem Land sehr viel Stabilität gebracht. Man kann demokratische Standards nicht über einen Leisten scheren, nicht an alle Länder den gleichen Maßstab anlegen.

Standard: Russische Oppositionelle würden es anders ausdrücken.

Sevelda: Der Umgang mit ihnen ist bedauerlich. Belassen wir es dabei. Ich kenne jedenfalls viele RBI-Kunden, auch Oligarchen.

Standard: Wie sieht die der Liberale Sevelda? Oligarchen haben oft eine gewaltvolle Vergangenheit.

Sevelda: Das kann und will ich nicht beurteilen. Man kann im Geschäftsleben nicht die gesamte Vergangenheit eines Kunden aufarbeiten. Meine Aufgabe ist, gute Geschäfte für Bank und Aktionäre zu machen. Es gibt Dinge, die wir nicht machen, wie Finanzierung von Waffengeschäften oder AKW-Bauten, und wir müssen ethische Grundsätze einhalten.

Standard: In Österreich sind Sie berühmt für Ihre Kontakte und Seilschaften. Schon wichtig für die Karriere, oder? Da gibt es etwa die "Inder", die "in der" CA waren, die GBA, also die CA-ler mit denen Sie Basketball gespielt haben ...

Sevelda: GBA steht für "Great Balls Association" (lacht). Da gibt es auch noch die Herrundulus-Herrenrunde, die Pfingst- und St. Patrick's Runde bei Helmut Peter. Aber das sind keine Seilschaften, die man für Karriere-Beförderung nützt, selbst wenn das eine oder andere Geschäft daraus entsteht. Das sind Freundesgruppen, viele haben nichts mit Raiffeisen zu tun.

Standard: Die Freimaurer fehlen in Ihrer Aufzählung.

Sevelda: Von einigen der Leute weiß ich, dass sie welche sind.

Standard: Sie sagen, Sie seien kein fanatischer Banker, warum gingen Sie eigentlich in eine Bank? Weil man Sie im Sozialministerium als "zu dynamisch" ablehnte?

Sevelda: Ich hätte 1976 auch einen Job bei einem Unternehmensberater bekommen, doch da hätte ich Wien verlassen müssen. Ich bin aber begeisterter Wiener, wollte nicht weg.

Standard: Ihr Lieblingsort in Wien?

Sevelda: Der Tichy am Reumannplatz. Ich liebe ihn, ich kann Unmengen an Eis vertilgen.

Standard: Stepic sagt gern: "Eine Mehlspeis' geht immer."

Sevelda: Genau. Und ich sage: Ein Eis geht immer.

Standard: Schauspieler wären Sie nicht gern geworden? Sie haben in Ihrer Jugend den Christus in den Passionsspielen gegeben. Vorarbeit für Raiffeisen ...

Sevelda: Bitte, das war in der achten Klasse. Es war eine Auszeichnung für mich, dass man mir den Christus zugedacht hat. Ich musste spielen, predigen, hängen. Meine Bühnenkarriere hat allerdings schon in der Volksschule begonnen, da habe ich den König Drosselbart gegeben. Mein Traumberuf wäre aber Opernsänger. Das einzige Hindernis ist meine Stimme.

Standard: Carlos Sevelda.

Sevelda: "Carlos Sevelda de Aragon" statt "de Brno". Mein jüngster Auftritt war bei Stepics Abschied. Da habe ich Udo Jürgens umgedichtet und gesungen: (singt): "I'm sixtysix and happy, I'm sixtysix and free ..."

Standard: Sie müssen jetzt die Bank, die er aufgebaut hat, konsolidieren, Kapital beschaffen, 1,75 Mrd. Euro PS-Kapital zurückführen und etliche Märkte aufräumen.

Sevelda: Werden wir tun. Wir wollen im Privatkundengeschäft wachsen, müssen das Risiko senken, in Märkten wie Ungarn oder Slowenien zurückstecken. Für die Kapitalbildung gibt es verschiedene Möglichkeiten; Kapitalerhöhung und Hereinnahme einer Beteiligung gehören dazu. Wir starten ein Ertragssteigerungs- und ein massives Kostensenkungsprogramm inklusive Filialschließungen, da geht es um dreistellige Millionenbeträge.

Standard: Sie haben Anfang der 1970er durch einen Freund Jörg Haider kennengelernt, waren bis 1992 bei der FPÖ, drei Jahre Kabinettchef von Handelsminister und Vizekanzler Norbert Steger. Warum sind Sie nicht Politiker geworden?

Sevelda: Weil ich mir die notwendige Parteidisziplin nicht zugetraut habe.

Standard: Sie waren nichts für den Klubzwang?

Sevelda: Nein. Ich habe mich 1975 auch für den Rücktritt von FPÖ-Parteiobmann Friedrich Peter ausgesprochen, als dessen SS-Vergangenheit bekannt wurde – da hab ich mir in der FPÖ keine Freunde gemacht. Mich stört aber auch, dass Politik etwas Kurzfristiges geworden ist, man denkt nur noch von Wahltag zu Wahltag. Das ist eine Fehlentwicklung.

Standard: Und Manager denken nicht nur von einer Vertragsverlängerung zur nächsten?

Sevelda: Nein, in der Wirtschaft wird längerfristig gedacht und geplant. Jedenfalls war ich immer auf der Suche nach einem liberalen Lager, und Haider war damals auf der liberalen Seite. Vor dem unappetitlichen Ausländervolksbegehren bin ich aus der FPÖ ausgetreten, wir haben das LIF gegründet.

Standard: Sie wollten dort Österreichs Liberalen eine politische Heimat geben. Das ist misslungen.

Sevelda: Das ist mir noch nicht gelungen, leider, aber ich probiers immer wieder. Ich selbst bin halt im Zweifel für mehr Freiheit als für mehr Sicherheit, ich glaube an die Souveränität jedes einzelnen Menschen, Eigenverantwortung und Toleranz. Das habe ich in der Politik immer gesucht ...

Standard: ... und bei Raiffeisen gefunden.

Sevelda: Hab ich mir gedacht, dass Sie das jetzt sagen. Natürlich, das Sein bestimmt das Bewusstsein, aber: Die demokratischen Strukturen bei Raiffeisen funktionieren. Obzwar es hier manchmal dominante Persönlichkeiten gibt.

Standard: Jemand sagt über Sie: "Der Karl glaubt, er muss etwas bewegen". Stimmt das?

Sevelda: Das stimmt. Erstens mich und zweitens wollte ich auch politisch etwas bewegen. Da hab ich aber nur wenig geschafft.

Standard: Worum geht's im Leben?

Sevelda: Darum, glücklich zu sein und Glück zu vermitteln. (Renate Graber, DER STANDARD; 13.7.2013)