Wien – Die Demografie ist Gift für den Staatshaushalt: Die Alterung der Gesellschaft führt zu steigenden Pensions-, Gesundheits- und Pflegeausgaben, die Lücke zu den Einnahmen aus Sozialversicherungsbeiträgen der Beschäftigten wächst. Rechnet man die künftigen Ansprüche anhand der derzeitigen Rechtslage zusammen und zinst sie auf den heutigen Barwert ab, ergibt sich ein ganz anderes Bild der öffentlichen Finanzen als üblicherweise dargestellt.
Das Forschungsinstitut EcoAustria kommt bei dieser Kalkulation im Auftrag der Industriellenvereinigung auf eine "Nachhaltigkeitslücke" im Staatshaushalt von 251 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Sie setzt sich aus der aktuellen Schuldenquote von 73,24 Prozent, den Ansprüchen der lebenden Generation (108,3) und der künftigen Generationen (69,5 Prozent des BIP) zusammen. EcoAustria-Chef Ulrich Schuh hält diese Berechnung für angebracht, weil der Staat tatsächlich die Bereitstellung von Geld- und Sachleistungen zusage. Die Einnahmen deckten diese Ansprüche aber bei weitem nicht ab.
Wollte man dieses Problem in den Griff bekommen, wären dafür gewaltige Anstrengungen erforderlich. Bei konstanten Zinszahlungen müsste das jährliche strukturelle Defizit von 3,8 Prozent des BIP zur Gänze abgebaut werden, erläutert Schuh. Das entspricht Einsparungen oder Mehreinnahmen von rund zwölf Milliarden Euro im Jahr.
Derartige langfristige Untersuchungen über die Staatsfinanzen sind wegen der unsicheren Annahmen nicht unumstritten, allerdings fällt auf, dass auch andere Studien Österreich eine hohe Dynamik bei den alterungsbedingten Kosten attestieren. Die EU-Kommission kam vor einem halben Jahr zu dem Ergebnis, dass die Ausgabensteigerungen hierzulande bei Pensionen, Gesundheit und Pflege deutlich über dem europäischen Durchschnitt liegen.
Österreich im Mittelfeld
Die Stiftung Marktwirtschaft verglich wiederum im Vorjahr die Entwicklungen in Europa und reihte Österreich mit einer Nachhaltigkeitslücke von 315 Prozent des BIP an zwölfte Stelle der damals 27 EU-Länder. Etwas überraschender Spitzenreiter im positiven Sinn war Italien mit einem Finanzierungsüberschuss von zwei Prozent. Auch Deutschland (136), Schweden (177) oder Portugal (181) schnitten langfristig besser ab, Frankreich (442), die Niederlande (565) oder Finnland (469) hingegen schlechter als Österreich. Guido Raddatz von der Stiftung Marktwirtschaft hält ein rasches Gegensteuern für essenziell, damit die impliziten Schulden nicht zu tatsächlichen Schulden werden, wie er im Gespräch mit dem Standard erläutert.
Diese Ansicht vertritt auch der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer. Er versteht die EcoAustria-Studie als "Schulden-Check", an dem sich die künftige Budgetplanung orientieren müsse. Während sich die öffentlichen Investitionen seit Mitte der 70er-Jahre gedrittelt hätten, seien die Ausgaben für Transfers um acht Prozentpunkte des BIP gestiegen. Umso wichtiger sei es, "nicht nur vergangene Budgetsünden, sondern auch die Verpflichtungen von morgen offenzulegen", erklärte Neumayer. (as, DER STANDARD, 13.7.2013)