In der ersten Nachrichtenmeldung war damals zu lesen: "Zu einem Wettlauf gegen den Tod ist es am Freitag nach einem Grubenunglück im Talkumbergbau Lassing (Bezirk Liezen) in der Obersteiermark gekommen. Ein Arbeiter wurde in 60 Metern Tiefe eingeschlossen, seine Bergung dauerte in den Nachmittagsstunden noch an.

Wie der Einsatzleiter des Roten Kreuzes, Ewald Bauer, unter Berufung auf einen Techniker sagte, müßte der Sauerstoffvorrat des Eingeschlossenen für 20 bis 24 Stunden reichen. Bis dahin müßte die Bergung des Verschütteten - es handelt sich um den 24jährigen Georg Hainzl aus Lassing - jedenfalls gelungen sein, hoffen die Retter."

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Das erste Bild des Stolleneinsturzes vom Nachmittag des 17. Juli 1998. Zu diesem Zeitpunkt liegt der Grund für die Katastrophe noch im Verborgenen. Später wird sich herausstellen, dass der Betreiber, die Naintscher Mineralwerke, die Talkum-Mine bis knapp unter besiedeltes Gebiet ausgehöhlt hatte.

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Schlamm- und Geröllmassen drücken auf das über fünfzig Kilometer verästelte Stollensystem. Georg Hainzl wird gegen Mittag in sechzig Metern Tiefe eingeschlossen. Bis 15 Uhr hält er von einem Aufenthaltsraum aus telefonisch Kontakt mit den Rettern. Er ist unverletzt, aber verzweifelt: "Jetzt, wo ich Vater werde, muss ich sterben", sind seine letzten Worte, bevor die Verbindung abbricht.

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Noch am Freitagabend wird überstürzt ein elf Mann starker Trupp über den intakten Liftschacht in die Mine geschickt, um die Stollen abzudichten und nach Hainzl zu suchen. Gegen 22 Uhr wird bekannt, dass neun der Bergleute und ein Geologe durch Tonnen nachrutschenden Materials ebenfalls verschüttet wurden. Ein Kumpel fuhr vorzeitig wieder auf und konnte sich im letzten Moment retten.

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Gegen Mitternacht gibt der "erschütterte und ratlose" Berghauptmann Wolfgang Wedrac vor laufender Kamera zu, "eigentlich nichts mehr tun zu können". In der Nacht auf Samstag senkt sich der Krater über dem Stollen weiter und füllt sich mit Wasser. Die Unglücksstelle gleicht nun einem See.

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Am Nachmittag geben die Einsatzleiter die Hoffnung nahezu auf. Bilder einer über ein Bohrloch in den Boden gelassenen Kamera zeigen, dass der Aufenthaltsraum, in dem Hainzl vermutet wird, zur Gänze mit Wasser gefüllt ist. Den Angehörigen des Bergungstrupps hatte man von Anfang an kaum Überlebenschancen eingeräumt, erklären die Retter dem per Hubschrauber eingeflogenen Kanzler Viktor Klima (Mitte) und Innenminister Karl Schlögl.

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Die steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic spricht vom "bittersten Tag" in ihrer Amtszeit. Neben einer ersten Bohrung eines deutschen Teams mit sechzig Zentimetern Durchmesser soll eine zweite Bohrung der OMV in 110 Meter tiefe getrieben werden, wo die zehn Mitglieder des Bergungsteams vermutet werden. 

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Am Sonntag gelten die Überlebenschancen der Bergleute nur mehr als theoretisch, da Luftkammern mögliche Überlebende nur mehr begrenzt mit Sauerstoff versorgen können. Während sich der Lassinger Pfarrer Paul Scheichenberger um die Angehörigen kümmert, dauern die Bohrungsarbeiten dennoch an, der Krater scheint stabilisiert.

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Am Montag tragen Stabsmitglieder der Einsatzteams in Gegenwart von Journalisten Meinungsverschiedenheiten aus. Der Eindruck von Chaos entsteht. Der Bürgermeister von Lassing beklagt ein "Wirrwarr von Technokraten und Professoren". Die Bohrtrupps kommen nur schleppend voran und klagen, dass ihnen keine Pläne ausgehändigt werden. Nun steht auch das Bundesheer im Assistenzeinsatz.

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Am Dienstag, Tag vier nach dem Unglück, wird der bisherige Einsatzleiter Wolfgang Wedrac gegen Alfred Maier von der obersten Bergbaubehörde in Wien ausgetauscht. Offizieller Grund ist Ermüdung. Der Trichter gilt erneut als stark einsturzgefährdet.

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Am Mittwoch kehren um den Schlund erstmals Anzeichen von Normalität ein. 17 Häuser in der Umgebung können wieder bezogen werden.

Trotz Gerüchten über Klopfzeichen aus der Tiefe bleiben Schallortung und Bohrungen weiterhin ohne Ergebnis. "Es herrscht Totenstille", sagt Maier bei einer Pressekonferenz, "und ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass alle Verunglückten tot sind."

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In Wien ist am Donnerstag "Lassing" Hauptthema im Ministerrat. Kanzler Klima bestätigt eine Neuordnung des Krisenmanagements. Vor Ort ändert sich die Lage kaum. Angehörige fordern, die Suche weiterzuführen, und auch der Druck der internationalen Medien ist groß.

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Tatsächlich werden laufend neue Methoden angedacht und ausprobiert. OMV, Bundesheer und Feuerwehr bereiten für Montag den Einsatz einer Druckkammer vor.

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In der Nacht auf Freitag erschwert Starkregen die Arbeiten, bis sie schließlich auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Am Nachmittag können die beiden Bohrungen wieder aufgenommen werden, eine dritte wird über einem alten Schacht gestartet, für den die Fachleute entgegen ersten Annahmen einen Luftvorrat für mehrere Tage berechnen. Trotzdem wird die Chance, Hainzl oder seine zehn Kollegen lebend zu finden, praktisch mit null angegeben.

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Am Samstag, dem achten Tag nach dem Unglück, wird bekannt, dass der letzte Zufluchtsort von Hainzl nur eine Jausenkammer in über sechzig Metern Tiefe sein kann. Um 19.49 schickt die APA eine Eilmeldung aus: "An Rettung Hainzls nicht mehr zu denken - Jausenkammer voller Schlamm".

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Die weiteren Meldungen an diesem Wochenende lesen sich ernüchternd: "Hoffnung in Lassing für Georg Hainzl aufgegeben", "Die ersten Helfer rücken aus Lassing ab", "Keine Hoffnung auf Überlebende in Lassing". Nach einer Demonstration der Einwohner wird die Privatbohrung des Vizebürgermeisters der Ortschaft, Fritz Stangl, am Sonntag dennoch fortgesetzt.

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Am 26. Juli, es ist Sonntagabend, lassen die Bergungskräfte erneut eine Kamera in den Stollen. Sie wollen unter anderem sondieren, wie der Schacht am besten mit Zement stabilisiert werden kann. In sechzig Metern Tiefe entdecken sie erst eine Zwischendecke, die einen Hohlraum in dem Jausenstollen verursacht hatte, und dann Georg Hainzl, wie er in die Kamera winkt.

Der Bergmann ist 225 Stunden nach dem Mineneinsturz am Leben. "Mir geht es gut, nur die Füße sind kalt", sagt er in ein hinuntergelassenes Mikrofon.

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Das "Wunder von Lassing", auf das nicht nur Hainzls schwangere Freundin gehofft hatte, ist eingetreten. "Die Retter sind einander mit Tränen in den Augen um den Hals gefallen", schildert Fritz Stangl.

Noch in der Nacht wird Hainzl durch das Sechzig-Zentimeter-Bohrloch über Tage geholt und in eine Dekomprimierkammer gesteckt. Nach einer Erstversorgung mit einer Infusion und einem Liter Limonade wird er ins Landeskrankenhaus Graz eingeliefert.

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Das Bild Hainzls im Krankenzimmer geht um die Welt. "Die Hoffnung und das Gebet so vieler Österreicher und der feste Glaube all jener, die bis zuletzt an Georg Hainzl geglaubt hatten, haben sich erfüllt", sagt Bundespräsident Thomas Klestil. Viktor Klima spricht von einem "Sieg der Hoffnung".

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Wirtschaftsminister Johann Farnleitner sagt, es sei "klar", dass nun alle laufenden Bemühungen fortgesetzt würden, die anderen zehn Verschütteten zu bergen. Die Bemühungen bleiben erfolglos. Die zehn Männer werden für tot erklärt. Die Suche nach ihren Leichen wird im Jahr 2000 eingestellt, die Binge wird zugeschüttet. 

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"Es war ein Horror in Zeitlupe", erinnert sich der damalige Vizebürgermeister Fritz Stangl im Jahr 2003, "drei Wochen lang waren wir zwischen Hoffnung und Erfolglosigkeit hin und her gerissen." Bis 2003 zahlten die Naintscher Mineralwerke rund dreißig Millionen Euro Rettungskosten und Entschädigungen für die Hinterbliebenen und Hainzl.

Wegen fahrlässiger Gemeingefährdung werden im Jahr 2000 der frühere Berghauptmann Wedrac zu zehn Monaten bedingter Haft und Werksleiter Hermann Schmidt zu 20 Monaten Haft verurteilt. Im Juni 2002 wird eine Gedenkstätte im ehemaligen Krater eingerichtet.

Am 15. Jahrestag diesen Mittwoch wurde ein schlichter Gedenkgottesdienst gefeiert. "Wie jedes Jahr üblich", sagte Stangl, der mittlerweile Bürgermeister ist. (mm, derStandard.at, 17.7.2013)

Foto: FOTO VIDEO FROESCHL / NAINTSCH MINERALWERKE GmbH