
Marco Schreuder, hier bei einer Aktion im Bundesrat gegen Acta, dem Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen.
Deutschland macht sich derzeit intensiv Gedanken darüber, wie Netzpolitik in Hinkunft einen höheren Stellenwert im Bundestag erhalten kann. Zu Beginn des Jahres schloss die Enquete-Kommission "Internet und und Digitale Gesellschaft" ihre fast dreijährige Arbeit ab, eine ihrer Empfehlungen: Im Bundestag soll ein ständiger Internetausschuss eingerichtet werden, der in der Gesetzgebung die Fragen der digitalen Gesellschaft berücksichtigt.
In der Folge forderten unter anderen die netzpolitischen Sprecher von SPD und CDU einen "Internetstaatsminister" im Kanzleramt. Dass das Thema in allen Ministerien "ein bisschen, in der Summe aber gar nicht" behandelt werde, kritisierte Lars Klingbeil von der SPD.
Staatssekretariat für digitale Fragen
Dass auch in Österreich die Netzpolitik einen höheren Stellenwert bekommen soll, fordert Marco Schreuder, grüner Bereichssprecher für Netzpolitik, im Gespräch mit derStandard.at. Idealerweise, so Schreuder, sollte in der nächsten Bundesregierung ein Staatssekretariat für digitale Fragen und/oder ein ständiger Internetausschuss im Parlament eingerichtet werden.
"Netzpolitik ist eine umfassende Querschnittsmaterie", sagt Schreuder. Ob ein kleines Bergdorf einen Breitbandanschluss erhalte, sei nicht nur eine infrastrukturelle, sondern auch eine zentrale demokratiepolitische Frage. Netzpolitik betreffe außerdem Fragen der Netzneutralität, der Bildung, des Datenschutzes sowie die Verfügbar- und Nutzbarkeit von öffentlichen Daten.
Die Politik müsse dabei der zunehmenden Kommerzialisierung und Monopolisierung des Internets entgegentreten, so Schreuder, schließlich sei das Internet ein öffentliches Gut. "Wir erleben derzeit die größte Revolution unserer Zeit und hecheln der Entwicklung hinterher." Es sei an der Zeit, dass diese Entwicklung auch in der politischen Arbeit des Parlaments abgebildet werde.
Unterstützung von Bundesspitze
Die grüne Bundesspitze unterstützt Schreuders Vorschlag, wie ein Sprecher gegenüber derStandard.at erklärt. Sowohl die Einrichtung eines eigenen Staatsekretariats als auch ein entsprechender Ausschuss im Parlament seien denkbar.
Wenig Begeisterung bei SPÖ und ÖVP
Die SPÖ hält sich in der Frage, ob ein netzpolitischer Ausschuss im Parlament oder gar ein eigenes Staatssekretariat eingerichtet werden soll, deutlich zurück. "Zuerst sind am 29. September die Wählerinnen und Wähler am Wort. Erst danach wird über die Verteilung der Ressorts und die Aufteilung der Kompetenzen verhandelt und entschieden", heißt es lediglich aus der SPÖ-Bundesgeschäftsstelle.
Auch bei der ÖVP bleiben die Begeisterungsstürme für den Grünen-Vorschlag aus: "Nicht einmal ansatzweise angedacht" sei ein eigenes Staatssekretariat für Netzpolitik, erklärt deren Pressestelle.
Ablinger: "Viel Spielraum" bei Netzpolitik
"Es ist noch viel Spielraum vorhanden", bilanziert SPÖ-Kultursprecherin Sonja Ablinger die bisherige Regierungsarbeit bezüglich Netzpolitik. Aus ihrer Sicht wäre es "sinnvoll", eine "eigene Stabsstelle" für Netzpolitik einzurichten. Netzpolitik sei eine sehr breite Materie, die Fragen des Urheberrechts, der Infrastruktur, der Bildung, des Zugangs zu öffentlichen Daten und der Netzneutralität betreffe.
Von einer eigenen Stabsstelle verspricht sich Ablinger, dass diese Fragen an Bedeutung gewinnen. Überlegenswert sei auch, nach Vorbild des Frauenministeriums ein Querschnittsressort einzurichten.
Team Stronach: Netzpolitik Koalitionsbedingung
Durch das Internet seien neue Herausforderungen entstanden, die auch in einem Regierungsübereinkommen mit dem Team Stronach ihren Niederschlag finden müssten, sagt dessen Klubobmann Robert Lugar zu derStandard.at. Ein eigenes Staatssekretariat sei allerdings nicht nötig, ein Staatssekretär sei ohnehin nur die "Marionette" eines Ministers. Neben Cybersecurity und Betrugsbekämpfung im Internet nennt Lugar den Ausbau des Breitbandinternets als wichtigstes netzpolitisches Anliegen.
BZÖ: Netzpolitik im "Zukunftsministerium"
Das BZÖ lehnt ein eigenes Staatssekretariat für Netzpolitik "aus finanziellen Gründen" ab, das Thema solle trotzdem eine wesentliche politische Rolle spielen, erklärt ein Sprecher. Geht es nach dem BZÖ, sollte Netzpolitik in einem "Zukukunftsministerium" neben Schule, Wissenschaft und Forschung behandelt werden.
FPÖ: Ausschuss "überlegenswert"
Auch die FPÖ ist gegen die Einrichtung eines eigenen Staatssekretariats, ein netzpolitischer Ausschuss im Parlament sei hingegen "überlegenswert", sagt Martin Glier, Sprecher des freiheitlichen Parlamentsklubs. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 24.7.2013)