Simulation der "Spaghettifizierung" der Gaswolke mit Stand etwa Mitte 2013.

Foto: ESO/S. Gillessen

Dieses Bild aus Daten des Very Large Telescope zeigt die Position der Gaswolke in den Jahren 2006 (blau markiert), 2010 (grün) und 2013 (rot). Die jeweilige Form der Wolke ist darauf nicht erkennbar.

Foto: ESO

Garching - Astronomen haben beobachtet, wie das gigantische Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße eine Gaswolke zerreißt. "Man kann genau sehen, wie die Wolke regelrecht zu Spaghetti wird", zitierte die Europäische Südsternwarte (ESO) in Garching den Leiter des Beobachtungsteams, Stefan Gillessen. "Genauso müsste es einem unglücklichen Astronauten in einem Science-Fiction-Film ergehen, der dem Schwarzen Loch zu nahe kommt." Die einzigartige kosmische Begegnung wird laut ESO von Forschern weltweit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt.

Supermassereiche Schwarze Löcher wie das in der Mlichstraße vermuten Astronomen in den Zentren der meisten Galaxien. Während die wesentlich häufigeren stellaren Schwarzen Löcher die kollabierten Überreste ehemaliger Supernovae sind, ist der Ursprung supermassereicher Schwarzer Löcher noch nicht eindeutig geklärt. Fest steht nur, dass sie sich in ganz anderen Größenordnungen bewegen: Das im Zentrum der Milchstraße hat beispielsweise die viermillionenfache Masse unserer Sonne. 

Chronik einer angekündigten Zerstörung

Astronomen hatten 2011 mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO in Chile eine Gaswolke entdeckt, die sich damals beschleunigt in Richtung auf dieses Schwarze Loch zubewegte. Die neuen Beobachtungen mit dem VLT zeigen jetzt, wie diese Wolke, die das Mehrfache der Masse der Erde hat, derzeit im starken Gravitationsfeld des Schwarzen Lochs deutlich in die Länge gezogen wird.

Bei einem Minimalabstand von nur 25 Milliarden Kilometern zu dem Gravitationsmonster schaffe es die Wolke "gerade eben so, nicht direkt in das Schwarze Loch hineinzufallen", erläuterte Gillessen, der am Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching forscht. "Die Wolke ist inzwischen so langgestreckt, dass ihre Passage am Schwarzen Loch nicht einfach nur ein kurzes Ereignis ist, sondern ein langwieriger Prozess, der mindestens ein Jahr lang andauern wird."

Hohe Geschwindigkeit gemessen

Durch die Dehnung wird die Wolke schwächer und ist schwieriger zu beobachten. Dennoch gelang es den Astronomen, die Geschwindigkeiten der verschiedenen Wolkenteile in unmittelbarer Nähe des Schwarzen Loches zu messen.

"Das Aufregende an den neuen Messungen ist, dass wir derzeit den vorderen Teil der Wolke schon wieder auf uns zukommen sehen - und das mit einer Bahngeschwindigkeit von mehr als zehn Millionen km/h, also etwa einem Prozent der Lichtgeschwindigkeit", unterstrich der Wissenschafter Reinhard Genzel. Er leitet die Arbeitsgruppe, die die Umgebung des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße seit mittlerweile 20 Jahren untersucht. Der hintere Teil der Gaswolke fällt hingegen derzeit noch weiter auf das Schwarze Loch zu. (APA/red, derStandard.at, 20. 7. 2013)