Es ist ruhig geworden um den Massenmörder Anders Behring Breivik. Am 22. Juli 2011 hatte er bei einem Doppelanschlag in Oslo und auf der Fjordinsel Utoya 77 Menschen ermordet. "Die Leute haben die Schnauze voll von dem Mann, bei uns ist wieder Alltag", sagen viele Norweger dieser Tage übereinstimmend.

Das gilt auch für die sozialdemokratische Jugendorganisation, die auf Utoya 69 Mitglieder verloren hat. Sie hielt Anfang Juli erstmals wieder ihr Sommerlager ab, wenn auch nicht auf Utoya selbst. Rund 1000 Jungsozialisten trafen sich stattdessen ganz in der Nähe im Lager Gulsrud, geschützt durch ein starkes Polizeiaufgebot.

Regierungschef Jens Stoltenberg wird am Montag mit Angehörigen der Opfer und Überlebenden auf Utoya der Toten gedenken. Die Bürger haben den Sozialdemokraten nicht für den misslungenen Einsatz der Polizei verantwortlich gemacht, die 75 Minuten brauchte, um auf die Insel zu kommen. Im Gegenteil, Stoltenberg wurde für seine ruhige Hand in den Wochen danach gelobt.

Arbeiter wählen eher rechts

Doch heute nutzt ihm das nichts mehr. Laut allen bisherigen Umfragen muss sich der Regierungschef damit anfreunden, die Parlamentswahlen am 9. September deutlich zu verlieren. Es könnte zu einer Rechtskoalition kommen, an der erstmals auch die einwandererfeindliche Fortschrittspartei teilnehmen könnte. Breivik hatte ihr einst selbst aktiv angehört. Erna Solberg, Chefin der bürgerlichen Höyre-Partei, wird als zukünftige Ministerpräsidentin gehandelt. Gerade Arbeiter und die Schlechterverdienenden wählen heute eher rechts.

Das Massaker vom 22. Juli 2011 ist kein Thema im Wahlkampf – ebenso wenig die Einwanderung von Muslimen. "Es gibt aber nicht weniger ausländer- und muslimenfeindliche Norweger als vor Utoya", sagt Sozialwissenschaftler Lars Gule von der Universität Oslo

Stoltenberg selbst sieht die Ursache für den Popularitätsverlust der seit 2005 regierenden rot-grünen Regierung darin, dass es den Norwegern zu gut gehe. "Ich treffe viele Leute, die sagen, jetzt müsste etwas Neues ausprobiert werden", klagt er. Selbst seine politischen Gegner und Kommentatoren geben ihm recht. Dem Land geht es wirtschaftlich gut. Es ist einer der größten Erdölexporteure der Welt. Die Arbeitslosigkeit liegt mit 3,6 Prozent niedriger als sonst in Europa. Das Land ist bis zur Langeweile glücklich.  (Andre Anwar aus Oslo /DER STANDARD, Printausgabe, 20.7.2013)