Radfahrer müssen den Wiental-Radweg teilen.

Foto: Thomas Rottenberg

Wien - "Schleich di!", brüllt der Mountainbiker. Dann drängt er die Inlineskaterin ab - bis auf und über die schräge Böschung. Die Notbremsung endet glimpflich - das sechsjährige Mädchen stürzt nicht. Knapp.

Ob er wo "ang'rennt"sei, fragt ein anderer Radler (der den Rowdy stoppt). Der fühlt sich im Recht: "Das ist ein Radweg. Kein Spielplatz. Aber keiner hält sich dran!"

Prestigeprojekt der Grünen

Seinen Vorrang hier erkläre schon der Name des Weges, meint der "Verkehrserzieher": Wienfluss-Radweg. Und auch die Politik verkünde stets: "Das ist ein Rad-Highway: Auf der Autobahn haben Spaziergänger ja auch nix verloren."

Ganz falsch liegt der Rowdy (abgesehen von seinem Verhalten) nicht: Der Weg ist ein Prestigeprojekt der Wiener Grünen. 2010 wurde die Strecke von Hietzing nach Auhof eröffnet - und von jeher strotzt die Kommunikation von grünen Rad-Superlativen: "Highway", "Schnellverbindung", "Hochleistungsstrecke".

Auch die Facebookseite der Route heißt "Wienflussradweg". Am offiziellen Charakter besteht kein Zweifel: "Regierungsbehörde" steht bei den Urheber-Infos.

Kein Radweg laut StVO

Was dort (bisher) nicht steht: Der Radweg ist kein Radweg - er heißt nur so. Hier - und überall sonst. "Dass er kein Radweg laut StVO ist, muss jedem Benutzer ersichtlich sein, da keine Kennzeichnung als Radweg mittels runder blauer Verkehrszeichen existiert", erklärt die "Regierungsbehörde", die für Gewässer zuständige MA 45, auf STANDARD-Anfrage: Juristisch sei der Weg ein "Freizeitweg".

Und der, betont Christoph Chorherr, ein Mit-Vater des Nicht-Radweges, stehe auch Fußgängern "selbstverständlich" offen. Die - von Chorherr mitgeprägte - "Highway"-Terminologie sei "bisher unproblematisch" gewesen.

Mix von Fußgängern und Radfahrern

Das bestätigt auch ein Sprecher von Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou: "Die Kritik ist uns neu. Es funktioniert." Und das trotz der einhelligen Empfehlung aller internationalen Experten, die im Frühjahr in Wien bei Velo-City-Konferenz tagten, "dass man den Mix von Fußgängern und Radfahrern generell möglichst auflösen soll", so der Sprecher.

Im Wiental geschieht das Gegenteil. An einigen Abgängen weist Umweltstadträtin Ulli Sima (SP) sogar darauf hin. Auf diesen Tafeln heißt der Weg aber plötzlich nur noch Wienfluss-Weg.

Bloß: Wer schaut, beim raschen Heimradeln, schon auf Tafeln mit Polit-Konterfeis? Der grobe Radler jedenfalls nicht: "Den einen sagt man A, den anderen B. Und dann geht es zu wie am Ring-Radweg." (Bei dem Mädchen hat er sich übrigens nicht entschuldigt.) (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, 20./21.7.2013)