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Constantin Blaha zeigte bei der WM in Barcelona den wohl besten Wettkampf seines Lebens. Das gibt ihm Moral im Hinblick auf Rio 2016. Und Moral kann ein Wasser- springer aus Wien gar nicht genug haben.

Foto: Reuters/Nacarino

Barcelona/Wien - Li Shixin, der seinen Titel von 2011 verteidigte, Ilja Kwascha und Alejando Chavez waren außer Reichweite. Auf Bronze fehlten Constantin Blaha, der am Montag hinter einem weiteren Chinesen als zweitbester Europäer ankam, exakt 19,8 Punkte. Das beschäftigte ihn freilich nicht, ihn beschäftigte sein fünfter Platz. "Der ist ein Traum." Für Blaha, 25 Jahre alt und aus Wien, war es das erste Finale bei einer WM, auf europäischer Ebene war er schon Fünfter (2010) und Vierter (2013) vom Einmeterbrett. Im Gegensatz auch zur Olympia-Qualifikation für London 2012, die er verpasste, blieb er diesmal gelassen, als es in Barcelona ums Finalticket ging. "Da hab ich mir zwischen den Sprüngen ein ruhiges Plätzchen gesucht und versucht, nicht aufs Ergebnis zu schauen. Man hat ja eh ein Gefühl dafür, wie es steht."

Diese Routine hat Blaha jedenfalls nicht in Wien bekommen. Dort finden Wasserspringer praktisch keine Trainingsmöglichkeiten vor, seit das Stadthallenbad saniert oder eigentlich nicht saniert wird, seit es jedenfalls geschlossen ist, also seit Mai 2010. Für Blaha erwies es sich als doppelter Glücksfall, viereinhalb Jahre lang mit einem Stipendium in den USA studieren und trainieren zu können. An der Arizona State University in Phoenix machte er kürzlich seinen Bachelor in Wirtschaftskommunikation, nebenbei gab's dort wunderbare Wassersprungbedingungen. "Der große Unterschied zu Wien? In Phoenix gibt es ein Bad, in dem ich springen kann, und es gibt eine Kraftkammer gleich daneben, und es gibt einen Trainer, der mir ständig zur Verfügung steht."

Hilferufe

Wien ist anders. Die mehrfache Staatsmeisterin Veronika Kratochwil, die 2008 an den Spielen in Peking teilnahm, ruft seit längerem lautstark um Hilfe. "Uns steht das Wasser bis zum Hals", erklärt Kratochwil. Und fragt man sie nach dem Stadionbad, in dem den Springern doch im Sommer ein Sprungbecken zur Verfügung steht, so sagt sie: "Das Becken wird regelrecht gestürmt", nämlich von Badegästen. Das sei, fügt sie hinzu, ob der Hitze und der Anzahl der Badegäste, ja auch "durchaus verständlich".

Kratochwil berichtet von Sophie Somloi, einer 19-jährigen, äußerst talentierten Wienerin. Somloi, die wegen einer Sehnenverletzung in Barcelona das Finale vom Einmeterbrett verpasste, war bereits Jugendeuropameisterin. Kratochwil: "Im Winter trainiert sie im Ottakringerbad. Ein kleines Sprungbecken steht nur stundenweise zur Verfügung. Aufgewärmt wird in zwei Baustellencontainern, in denen es im Winter zehn Grad hat. Wenn es regnet, muss Sophie zum Aufwärmen in den nassen Badebereich ausweichen, da die Container undicht sind und man Kübeln aufstellen muss, um das reintropfende Wasser abzufangen."

Bad-Hopping

Als das Stadthallenbad zusperrte, wurde den Wasserspringern alternativ das Amalienbad angeboten. Dort gab es laut Kratochwil erst Monate später trainingstaugliche Sprungbretter. Im Ottakringerbad wiederum waren wegen geringer Wassertiefe und eines Betonkonstrukts unter dem Dreimeterbrett Sprünge aus dem Anlauf praktisch nicht möglich. Kratochwil vermisst Information durch den Schwimmverband und kann Blaha verstehen, der mit seiner Uni in Arizona vereinbarte, dass er dort auch ab Herbst zumindest phasenweise trainieren darf. "In Wien ist es ein dauerndes Improvisieren", sagt er. "Du weißt nie, in welchem Bad du am nächsten Tag trainieren kannst."

Ob Blaha einen Lieblingssprung hat? "Die Kunst ist es, jeden einzelnen Sprung zu einem Lieblingssprung zu machen." Egal, ob es sich nun um zweieinhalb Salto vorwärts mit einer Schraube oder schlicht um dreieinhalb Salto vorwärts handelt. Insgesamt sechs Sprünge sind in einem Vorkampf wie in einem Finale zu zeigen, Blaha sagt, dass er bereits jetzt an zwei, drei weiteren Sprüngen arbeitet. "Einen Olympiazyklus schaffe ich noch. Bis Rio werd ich zwei neue Sprünge in meine Serie einbauen." Wo er das tun wird, bleibt dahingestellt. Wien ist eine Option, aber keine sehr wahrscheinliche. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 23.07.2013)