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1998: Der damalige Tour-de-France-Direktor Jean-Marie Leblanc vor der vollgepumpten Radsportelite.

Foto: EPA PHOTO/AFP/PATRICK KOVARIK

Paris - Die Anti-Doping-Kommission des französischen Senats hat in Nachtests rund vier Dutzend Profis Manipulation mit Epo bei der Tour de France 1998 nachgewiesen. Dazu zählen der im Jahr 2004 verstorbene Marco Pantani, 1998 Gesamtsieger der Tour, der frühere Supersprinter Mario Cipollini und der französische Volksheld Laurent Jalabert, Tour-Rekordteilnehmer Stuart O'Grady ebenso wie die einstigen deutschen Radsporthelden Jan Ullrich und Erik Zabel. Dabei galt die damalige Tour angesichts des Festina-Skandals ohnehin schon als Skandalrennen sondergleichen.

Wenige Stunden nach der Veröffentlichung Stuart O'Grady ein kleines Geständnis abgelegt. "Ich habe es genommen. Es war sonst niemand involviert", sagte O'Grady der australischen Tageszeitung "The Herald Sun". Er habe EPO wegen der "vielen Horrorgeschichten" in geringen Mengen genommen. Es sei kein systematisches Doping gewesen. Bei seiner ersten Frankreich-Rundfahrt 1997 habe er gemerkt, dass er nicht annähernd konkurrenzfähig sei. "Ich habe es für zwei Wochen vor der Tour 1998 genommen. Als die Festina-Affäre passierte, habe ich es weggeworfen und seitdem nicht mehr angefasst", ergänzte O'Grady. O'Gradys Probe wurde in dem Untersuchungsbericht als "verdächtig" aufgeführt.

"Kein Kommentar"

Ullrich äußerte sich am Mittwoch nicht zu den Ergebnissen. "Wir geben dazu vorläufig keinen Kommentar ab", sagte sein Berater Falk Nier. Dennoch hat sich Ullrich mit der jüngsten Enthüllung endgültig als unglaubwürdig erwiesen. Der 39-Jährige hatte sich vor einem Monat zwar erstmals dazu bekannt, gedopt zu haben - aber nur mit Eigenblut. Epo-Doping stritt er stets ab. Zabel war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.

Im Juni hatte Ullrich im Gespräch mit dem Magazin "Focus" gestanden, die Blutdoping-Behandlungen bei dem spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes erhalten zu haben. Zu umfassenden Vorwürfen des Epo-Dopings, wie sie der ehemalige Betreuer Jef d'Hont vor Jahren geäußert hatte, sagte Ullrich nichts.

Der französische Anti-Doping-Ausschuss hatte anonymisierte Epo-Nachtests aus dem Jahr 2004 den getesteten Profis zugeordnet, nachdem 1998 noch nicht auf diesen Wirkstoff getestet worden war. In den sechs Jahre nach der Tour durchgeführten Untersuchungen fielen fast alle Tests positiv aus.

Geständnis unter Tränen

Zabel hatte am 24. Mai 2007 gemeinsam mit Rolf Aldag in Bonn unter Tränen ein Dopinggeständnis abgelegt. Er erklärte damals aber, während der Tour 1996, zwei Jahre vor dem nun fraglichen Zeitraum, "einmalig" Epo genommen zu haben. Er habe das Mittel nicht vertragen und deshalb wieder abgesetzt.

Der ebenfalls im Senatsbericht enttarnte Franzose Jacky Durant, 1998 und 1999 kämpferischster Fahrer der Tour, sagte: "Die heutige Generation sollte nicht für den Mist bestraft werden, den wir damals angestellt haben. Der Sport ist heute viel sauberer." Durants Wunsch wird ein frommer bleiben: Das Image des Radsports ist seit Mittwoch wieder ein Stück verheerender.

Ullrich 2012 schuldig gesprochen

Ullrich war im Februar 2012 vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) schuldig gesprochen worden, gegen die Anti-Doping-Regeln verstoßen zu haben. Wegen der Verwicklung in die Fuentes-Affäre wurde er zu einer zweijährigen Sperre rückwirkend mit 22. August 2011 verurteilt. Sämtliche Resultate seit dem 1. Mai 2005 wurden gestrichen - damit darf Ullrich seinen Tour-Sieg von 1997 behalten.

Ob es Möglichkeiten gibt, ihm sein Olympiagold von Sydney 2000 abzuerkennen, will das Internationale Olympische Komitee (IOC) nach Auskunft seines Präsidentschaftsanwärters Thomas Bach eingehend prüfen. Bei der Aberkennung von Medaillen gilt laut IOC-Statuten eine Verjährungsfrist von acht Jahren.

Dass diese Vorschrift für das IOC aber kein Dogma ist, bewies der Fall Lance Armstrong. Der Amerikaner hatte zu Jahresbeginn gestanden, seit 1998 mit Dopingmitteln betrogen zu haben. Das IOC strich den Namen des Olympiadritten im Zeitfahren daraufhin aus der Ergebnisliste von Olympia 2000 in Sydney.

Positive Reaktionen auf Jan-Ullrich-Radsportwoche

Keine 24 Stunden vor Bekanntwerden seiner Epo-Sünde hatte Ullrich noch in der ihm eigenen Art auf seinem Eurosport-Blog verkündet: "Der Radsport lebt! Auch die Reaktion meiner Gäste bei der zweiten Jan-Ullrich-Radsportwoche im Hotel Central in Sölden war durchweg positiv. Wir haben in den zehn Tagen im Ötztal viel über die Tour diskutiert und philosophiert." (sid, 24.7.2013)