Anders als der Freizeit- sucht sich der Spitzensportler nicht aus, wann er sportelt. Ausreichend trinken sollten beide.

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Wassertrinken ist kein Allheilmittel, sagt Sportarzt Christian Gäbler.

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Wien - Der bayerische Fußball-Verband empfiehlt seinen Vereinen, Spiele auf den Vormittag oder in den Abend zu verlegen. Und auch Michael Frontzeck, der Trainer von Zweitligist St. Pauli, bringt spätere Ankickzeiten ins Gespräch. "Unabhängig von den Spielern ist es auch für jeden Besucher nicht gerade gesund, bei vierzig Grad irgendwo eineinhalb Stunden zu stehen." Karlsruhe gegen St. Pauli wird am Samstag um 15.30 Uhr angepfiffen. In Österreich, wo Rapid gegen Wiener Neustadt am Samstag sowie Sturm Graz gegen Grödig am Sonntag um jeweils 16.30 Uhr beginnt, wird da und dort natürlich über die Hitze gejammert. Diskutiert wird nicht.

Der Wiener Sportarzt Christian Gäbler, der u. a. den Vienna City Marathon und die Vienna Vikings (American Football) medizinisch berät und betreut, würde generell davon abraten, sich an Hitzetagen sportlich zu betätigen. "Und jedenfalls sollte der Sport in die Tagesrandzeiten verlegt werden, also vor 10 Uhr oder nach 19 Uhr." Wobei Hobbysportler den Vorteil haben, dass sie sich aussuchen können, wann sie laufen oder Rad fahren gehen. Spitzensportler wiederum sind, zumindest meistens, besser trainiert.

Im schlimmsten Fall ein Herzinfarkt

Problematisch ist laut Gäbler einerseits die Überhitzung des Körpers, andererseits die Ozonbelastung. "Der Körper versucht sich abzukühlen, erhöht die Schweißproduktion, macht die Gefäße weit." Dadurch können, vor allem bei bereits angegriffenem Kreislauf, Hitzekollaps und im schlimmsten Fall Herzinfarkt hervorgerufen werden. Bloßes Wassertrinken bis zum Gehtnichtmehr ist auch kein Allheilmittel, Gäbler kann sich an einen London-Marathon in großer Hitze erinnern, bei dem etliche Läufer eine sogenannte Wasservergiftung erlitten. "Das viele Wasser hat zu einer Verschiebung des Elektrolythaushalts und damit zur Hirnschwellung geführt."

Veranstalter von Breitensportevents sollten, meint Gäbler, Absagen bei extremen Temperaturen zumindest ins Auge fassen. "Sie können schließlich nicht davon ausgehen, dass alle Teilnehmer so klug und mündig sind, nicht über ihr Limit zu gehen." Im Spitzensport sieht es anders aus, erstens darf Mündigkeit vorausgesetzt werden, zweitens sollten bessere körperliche Voraussetzungen gegeben sein.

Österreichs Bundesliga hält sich - wohl wegen der verkauften Karten und der TV-Termine - an ihre Beginnzeiten. Ob es prinzipiell klug ist, im Juli und im August um 16.30 Uhr anzupfeifen, lässt Gäbler dahingestellt. Aber er verweist bewusst auf die Austrian Bowl XXIX, das heimische Football-Finale zwischen den Vikings und den Raiders Tirol. Es geht am Samstag in St. Pölten erst um 20.30 Uhr los. "Da steckt eine Überlegung dahinter. Das war eine weise Entscheidung." Und auf den Fußballplätzen sollten sich die Zuseher jedenfalls nicht wundern, wenn die Kicker nach dreißig Minuten "herumkriechen wie müde Fliegen".

Stichwort Sonnenstich

Apropos Zuseher. Auch sie sind gefährdet, sollten sie praller Sonne ausgesetzt sein - beim Fußball, aber auch beim Formel-1-Rennen am Sonntag in Budapest. Stichwort Sonnenstich. Gäbler: "Massive Sonneneinwirkung kann eine Reizung der Gehirnhäute bewirken, das kann zu einer Hirnschwellung führen." Mögliche Folgen: Kopfschmerzen, Bewusstlosigkeit, Kollaps. "Im schlimmsten Fall der Tod." Zuseher wie Sportler sollten sich möglichst schützen. "Wenn man kein Fußballer ist", sagt Gäbler, "ist es vernünftig, ein Kapperl zu tragen." Und wenn man Fußballer ist? Dann gießt man sich Wasser über den Kopf, das kühlt. Dass mancher Zuseher seinem Körper gerne Alkohol zuführt und damit Flüssigkeit entzieht, ist bei großer Hitze speziell gefährlich. Wieder spricht Gäbler die Veranstalter an, die nicht von Mündigkeit ihres Publikums ausgehen dürfen. "Sie müssen medizinische Vorsorge tragen."

Auch bei der Leichtathletik-Meisterschaft am Wochenende in Feldkirch-Gisingen wird die Hitze zu einer zusätzlichen Herausforderung. Immerhin können sich Aktive wie Zuseher hernach im nahen Waldbad abkühlen.

"Wassersport ist sowieso nicht die schlechteste Option." Gäbler als passionierter Kitesurfer weiß, wovon er redet. Oder aber man hält es bei Hitze mit Churchill. Österreich jedenfalls ist, siehe Mode, siehe Musik, siehe politische Entscheidungen, wieder einmal später dran als Deutschland. Eine Diskussion über die Ansetzung von Sportevents im Sommer setzt hierzulande wohl erst dann ein, wenn etwas passiert ist. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 27./28.07.2013)