Thomas Halfmann (im Bildhintergrund) und seinem Team ist es gelungen, Lichtpulse für über eine Minute zu stoppen und zu speichern. Praktisch angewendet könnte die Methode bei zukünftigen Computern werden, die mit Licht arbeiten.

Foto: Katrin Binner / TU Darmstadt

Nichts ist schneller als das Licht - und doch lässt es sich unter Einsatz spezieller und extrem kalter Gase für kurze Zeiten gleichsam "zum Stillstand" bringen. Physiker der Technischen Universität Darmstadt haben es nun geschafft, einen neuen Rekord bei der möglichen Dauer des Einfrierens der Lichtinformation aufzustellen: Die Wissenschafter haben die in einem Lichtpuls enthaltenen Informationen für über eine Minute konserviert. Gelungen ist das, indem die Physiker verschiedene bekannte Methoden auf ausgeklügelte Weise kombinierten. Praktische Bedeutung könnte das Ergebnis für künftige, mit Licht operierende Datenverarbeitungssysteme erlangen.

Als "Bremse" diente den Forschern ein glasähnlicher Kristall, der in geringer Konzentration Ionen des Elementes Praseodym enthält. Zum Versuchsaufbau gehören zudem zwei Laserstrahlen. Der eine ist Teil der "Bremsvorrichtung", der andere soll gebremst werden. Der erste, "Kontrollstrahl" genannte Lichtstrahl manipuliert die optischen Eigenschaften des Kristalls: Die Ionen verändern die Lichtgeschwindigkeit nun sehr stark. Der zu bremsende Strahl trifft nun auf dieses neue Medium aus Kristall und Laserlicht und wird darin extrem verlangsamt. Wenn die Physiker den Kontrollstrahl im gleichen Moment abschalten, in dem sich der andere Strahl im Kristall befindet, kommt der gebremste Strahl darin sogar zum Stillstand.

Welle im Kristallgitter-Gefängnis

Genauer gesagt, verwandelt sich das Licht in eine Art im Kristallgitter gefangene Welle. Stark vereinfacht läuft dies folgendermaßen ab: Die Praseodym-Ionen werden von Elektronen umkreist. Diese verhalten sich ähnlich wie aneinandergereihte Magnete: Stößt man einen von ihnen an, pflanzt sich die Bewegung vermittelt durch magnetische Kräfte in der Reihe wie eine Welle fort. Da Physiker den Magnetismus von Elektronen "Spin" nennen, ergibt sich beim Einfrieren des Laserstrahls analog eine "Spinwelle". Diese ist ein Abbild der Lichtwelle des Lasers. Auf diese Weise ist es den Darmstädter Forschern gelungen, auch Bilder, zum Beispiel ein Streifenmuster, aus Laserlicht in dem Kristall zu speichern. Die Information lässt sich wieder auslesen, indem man den Laserstrahl erneut einschaltet.

Dass so bislang nur sehr kurze Speicherzeiten gelangen, liegt daran, dass Umwelteinflüsse die Spinwelle störten, ähnlich wie fahrende Schiffe Wellen in einem See durcheinanderbringen. Die Information über die gespeicherte Lichtwelle geht dabei nach und nach verloren. Lindern lassen sich die Umwelteinflüsse durch Anlegen eines Magnetfeldes sowie durch Hochfrequenz-Pulse. Diese Felder reduzieren sozusagen die Zahl der Schiffe auf dem See.

Computer-Algorithmen errechneten optimale Einstellung

Wie gut das gelingt, hängt besonders von der Stärke und Richtung des Magnetfeldes und der Hochfrequenz-Pulse ab. Dabei gibt es äußerst viele Variationsmöglichkeiten, und die optimale Einstellung lässt sich wegen der Komplexität kaum berechnen. Daher haben die Darmstädter Forscher Computer-Algorithmen verwendet, die während des Experiments vollautomatisch und schnell die besten Lösungen finden. Einer der Algorithmen orientiert sich an der Evolution in der Natur, die möglichst gut an die Umwelt angepasste Organismen hervorbringt. Mittels der Algorithmen konnten die Forscher Laserstrahlen, Magnetfeld und Hochfrequenz-Pulse so einstellen, dass die Spinwellen fast so lange überlebten wie es in dem Kristall überhaupt möglich ist.

Aufbauend auf diesem Erfolg will Halfmanns Team nun Techniken erforschen, um Licht noch deutlich länger – möglicherweise eine Woche lang – zu speichern, sowie eine höhere Breitbandigkeit und Datentransferrate der Informationsspeicherung durch gestopptes Licht zu erreichen. (red, derStandard.at, 01.08.2013)