Brasserie Santner: Ein durch und durch französisches Konzept, verwirklicht im Herzen von Graz.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Taschenkrebs-Tartare mit Flusskrebsen und Froschschenkeln.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der akute Mangel an französischen Restaurants im Lande wird wahlweise auf die kulinarische Ignoranz der Österreicher geschoben (Schwachsinn, warum haben dann die Deutschen so viele?) oder gar als fortgesetztes Beleidigtsein wegen des einstigen Triumphs Napoleons über das Kaiserreich interpretiert, was zumindest originell erscheint.

In Wahrheit bleibt aber ein Rätsel: Warum musste es gar so lange dauern, bis wir uns der kulinarischen Herrlichkeit Frankreichs entsprechend gewachsen fühlten. Aber egal, endlich sprießen die kryptofranzösischen Buden auch bei uns, mal mehr, mal weniger ernsthaft an dem orientiert, was das Mutterland des großen Essens an Rezepturen bereithält.

Froschschenkel in Kräuterpanier

Die wohl tollste Adresse hat Gernot Santner mit seiner gleichnamigen Brasserie im Herzen von Graz etabliert. Das Restaurant mit Blick auf die barocke Pracht des Karmeliterplatzes versteht es, das Flair eines klassisch französischen Restaurants (für eine echte Brasserie ist es trotz einiger Versatzstücke schlicht zu klein ...) mit einem ebenso ambitionierten wie breiten Angebot (vorn Bistro mit kleinen Speisen, hinten die ernsthafte Küche) zu verbinden - und dazu noch eine grandiose Weinkarte zu pflegen, in der man Österreich vergeblich suchen wird. Für diesen Mut allein gehört ihm in einer Nation von Trinkpatrioten ein Orden.

Wie Sommelier Richard Kinzelmann seinen Keller pflegt, reihenweise fantastische Weine von begehrten Traditionsweingütern ebenso wie von einigen der spannendsten neuen Naturwinzer zusammengefangen hat und wie er diese in seine Weinbegleitungen einbaut - das hat eine Klasse, wie man sie hierorts nur selten erleben darf. Stefan Prieler, der lange im Kloster Und gekocht und hier seinen ersten Posten als Küchenchef hat, serviert dazu richtig hochgezwirbelte Edelküche.

Die kostet zwar ordentlich, angesichts des Aufwands wirkt alles dennoch kulant kalkuliert: Tartare de Tourteau, Taschenkrebstartare, wird mit einem Hauch Mayonnaise ganz puristisch angemacht, mit frischen (!), französischen (!) Froschschenkeln in Kräuterpanier und einem frittierten Flusskrebsnockerl samt sauber pochiertem Schwanz serviert, dazu gibt es hauchzartes Zitronengelee, Meeresspargel und ein paar Löffelchen vom knackigen Flugfischkaviar - das ist die 20 Euro alleweil wert. Kabeljau wird ideal glasig gegart, mit Melanzani, Melanzanicreme, herrlich flaumigen, provenzalischen Panisses aus Kichererbsenmehl und Nocken von Schafsfrischkäse kombiniert - wirklich gut.

Explosive Fruchtigkeit

Manchmal geht der Hang zur komplizierten Kreation mit Prieler aber durch, etwa wenn er sein wunderbar leichtes Kalbshaxenragout mit gerade gestocktem Ei und köstlicher Kohlrabicreme kombiniert - den dazu servierten, panierten Kalbskopf aber zwischen Ragout und Kohlrabi schichtet: Schaut gut aus, lässt die Panier aber binnen kürzester Zeit aufs Unappetitlichste durchfeuchteln.

Richtig toll sind auch die Desserts des Franzosen Thomas Serret, etwa ein Clafoutis mit Sauerkirschen, der nichts mit dem Dickmehlkuchen französischer Großmütter am Hut hat, sondern mit explosiver Fruchtigkeit und zarten Mandelanklängen brilliert. Dazu gibt es geflämmtes Amarettoparfait - keinen Deut zu süß - und gefüllte Kirschen, très bien. Achtung: Von 11. bis 24. August ist das Santner auf Betriebsurlaub! (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 2.8.2013)