Der Schauspieler und Drehbuchautor Michael Ostrowski lebt am Stadtrand von Graz. Wojciech Czaja erfuhr, dass ihm der Eighties-Touch seines Wohnzimmers tausendmal lieber ist als der ganze grassierende Designwahn.

"Graz ist eine coole Stadt. Es hat eine gute Größe, is a bissl dörflich und a bissl großstädtisch. Lange Zeit hab ich mitten in der Stadt g'wohnt, heute wohn ich im Osten, ein paar Kilometer außerhalb, so circa 15 Minuten Autofahrt vom Stadtzen trum entfernt. Ich muss gestehen: So ganz hab ich mit der Tatsache, dass ich nun an der Peripherie bin, noch nicht Frieden geschlossen. Irgendwie fehlt mir das Quirlige. Aber dafür hab ich jetzt Hirsche und Schafe vorm Fenster. Auch nicht schlecht.

"Ich bin mehr der Zufällige, der Ist-jetzt-halt-so-Typ." Michael Ostrowski in seinem Wohnzimmer mit dunkler Achtzigerjahre-Holzdecke.
Foto: René van Bakel

Ich hab die Wohnung ganz klassisch über eine Anzeige gefunden. Das ist jetzt sieben Jahre her. Die Grundmauern des Hauses wurden, soviel ich weiß, in den Siebzigerjahren errichtet, das Dachgeschoß kam in den Achtzigern dazu. Der Eighties-Touch, um es mal im modernen Bobo-Sprech zu formulieren, sieht man dem Haus durchaus an. Aber das passt schon so. Das ist eine Mietwohnung, und mit der dunklen Holzvertäfelung und den schiachen Fenstern hab ich mich mittlerweile gut arrangiert. Erstens, weil ich in eine Mietwohnung nicht sinnlos Geld investieren will. Und zweitens, um eine gewisse Leichtigkeit des Seins zu bewahren.

Und entsprechend schaut auch die Einrichtung aus. Die meisten Möbel waren entweder schon da oder sind Geschenke von Freunden, wie zum Beispiel die vielen Regale an der Wand. Von mir sind nur das rote Sofa und der Schreibtisch, an dem ich jetzt arbeite. Das ist ein Drei-Euro-Tisch aus dem Möbellager. Ach ja, und der Sessel zwischen Tisch und Wand ist eine Art ausgetüftelte Anti-Bildschirm-Runterfall-Konstruktion. Ich glaub, ich hab nicht so den Anspruch auf ästhetische Perfektion. Ich bin mehr der Zufällige, der Ist-jetzt-halt-so-Typ. Ich verweigere mich dem ganzen Interior-Design-Wahn, der besagt, dass man nur dann ein vollkommener Mensch ist, wenn die Wohnung komplett fucking durchgestylt ist. Da könnt ich speiben gehen.

Genauso furchtbar find ich ja, dass im Fernsehen und im Kino permanent Wohnungen gezeigt werden, die es nicht gibt. Alles ist bis zum Abwinken arrangiert, und plötzlich lebt in einem unbezahlbaren Rechtsanwalts-Penthouse mit Blick auf die Wiener Innenstadt ein junger Volksschullehrer mit seiner jungen Volksschullehrergattin. Ich find das schrecklich. Umso stolzer bin ich auf meine unaufregende Durchschnittswohnung, die irgendwo zwischen künstlerischem Chaos und kleinkarierter Gemütlichkeit oszilliert, und zwar mitsamt der eigenartigen Holzdecke!

Die genaue Positionierung der Möbel ist während der Drehbucharbeiten zu 'Hotel Rock'n'Roll' entstanden. Ich hab Tag und Nacht daran gearbeitet, und ich wusste: Wenn ich schon so viel Zeit mit dem Schreiben verbring, dann muss alles sitzen und passen. Und es sitzt und passt. Doch das Allerwichtigste sind die Pinnboards an der Wand, auf denen jetzt mein gesamtes Drehbuch als grafische Dramaturgielinie dargestellt ist. Nachdem ich eher ein intuitiver Schreiber bin, brauche ich die grafische Darstellung, um die unterschiedlichen Phasen und Plot-Points meines Buchs zu analysieren.

Ich fürcht, beim Wohnen bin ich nicht so genau. Wohnen ist für mich ganz allgemein die materielle Manifestation der Verschmelzung von Tun und Nichtstun. Ich schreib gern, ich leg gern die Füße hoch, ich hör gern Musik, ich starre gern an die weiße Decke, was bei mir des Holzes wegen wohlgemerkt nicht wirklich machbar ist. Und irgendwie scheinen mich die Holzdecken auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Ich bin viel auf Achse und verbringe daher rund ein Drittel des Jahres in diversen Hotels und Pensionen irgendwo in Österreich. Und alle sind sie mit Holzdecke!" (DER STANDARD, 3./4.8.2013)