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Straiton, Retail Park

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Für die Fans der Edinburgher Traditionsvereine Hibernian und Hearts of Midlothian ist es heuer Essig mit der Sommerpause. Seit die Geschäftsführer der beiden Klubs im Juni gemeinsam vor die Presse traten, um das Projekt eines Stadionneubaus zu präsentieren, ist Feuer am Dach. Es geht nämlich um ein GEMEINSAMES Stadion, das künftig von beiden Rivalen bespielt werden soll. Sogleich formierten sich Fangruppen beider Seiten und zogen gegen das Vorhaben ins Feld. Im Gefolge der Aussiedlung wäre ein Verlust an Identität unausweichlich, manch einer fürchtet, dass am Ende gar die Fusion drohen könnte. Die Funkionäre beeilen sich, solche Ängste zu zerstreuen. Keineswegs sei an die Aufgabe der Eigenständigkeit gedacht, die Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet würde die sportliche Rivalität in keiner Weise berühren.

Geldsorgen

Das bestimmende Motiv hinter der Stadioninitiative liegt auf der Hand: beide Klubs drücken Verbindlichkeiten in Millionenhöhe. Diese könnten durch den teuren Verkauf der zentrumsnahen Liegenschaften von Easter Road (Hibernian) und Tynecastle (Hearts) auf einen Schlag getilgt werden. Womöglich bliebe sogar etwas Kapital übrig, um endlich an eine ernst zu nehmende Herausforderung der Glasgower Giganten Celtic und Rangers denken zu können. Letzlich wäre die Optimierung der sportlichen Qualität doch auch das Hauptinteresse der Fans.

Bei den Hearts kommt verschärfend hinzu, dass die Abmessungen von Tynecastle nicht mehr geltenden UEFA-Kriterien entsprechen. Da der Abstand zwischen Spielfeld und Tribünen zu kurz ist, könnten internationale Matches schon bald nicht mehr genehmigt werden. Unangenehm nur, dass beide Klubs in den letzten Jahren massiv in den Ausbau eben jener Stadien investiert haben, denen nun die Abrissbirne droht. Die Tatsache, dass Hibs-Besitzer Sir Tom Farmer Teilhaber der Firma ist, die das Areal besitzt auf dem das geplante Kunstrasen-Stadion erstehen soll, legt zusätzlich den Verdacht eigennütziger Geschäftemacherei nahe. Hibs-Geschäftsführer Rod Petrie betonte denn auch, dass Farmer durch einen Landverkauf nicht besonders profitieren würde. Im Gegenteil hätte dieser seine Geschäftspartner sogar überredet, bei den Preisen etwas nachzulassen.

Auf ins Niemandsland

Die Argumente der Kritiker konzentrieren sich nicht zuletzt auf den ausgewählten Standort in Straiton, an der südlichen Peripherie Edinburghs. Es sei nicht zumutbar, die Fans Woche für Woche in eine derart unattraktive Umgebung zu verfrachten. In diesem Niemandsland fehle alles, was einen Nachmittag beim Fußball erst zum Vergnügen macht: Pints mit Freunden heben? Nicht mehr möglich, in Straiton gibt es keine Pubs - bloß einen riesigen Ikea. Experten weisen zudem darauf hin, dass die Verkehrsinfrastruktur der zu erwartenden zusätzlichen Belastung in keiner Weise gewachsen sei. Die A 720, quasi die Edinburgher Südost-Tangente, sei schon jetzt an ihren Kapazitätsgrenzen angelangt. Das Chaos sei vorprogrammiert.

Auch die Hoffnung auf Mehreinnahmen könnte sich als trügerisch erweisen. Gut möglich, dass eine Menge alteingessene Zuschauer auf dem Weg verloren gehen, die Besucherzahlen folglich sinken. Bereits geistern Zahlen durch die Presse, wonach die Abo-Verkäufe bei Hibs um 40 Prozent unter den Erwartungen liegen sollen. Gar nicht zu reden von den Tiefschlägen, die die Abwanderung für die Stadtteile Gorgie and Easter Road bedeuten würde, deren Bewohner so eng mit ihren Fußballklubs verbunden sind.

Die Folgen

Fangruppen beider Seiten setzen nun auf Treffen mit den Vereinsbossen, welchen diese kürzlich zugestimmt haben. Ob sie sich umstimmen lassen, ist jedoch fraglich. Fest steht jedenfalls, dass bei einer Realisierung des Projekts Schottlands Hauptstadt erstmals seit 1874 ohne gestandenen Fußballklub auskommen müsste - das zukünftige Stadionareal liegt nämlich außerhalb des Verwaltungsbezirks Edinburgh in Midlothian. Und auch die bange Frage in einem Fanforum der Hearts müsste mit einem Ja beantwortet werden: "Do we have to share toilets with the Hibees?" (rob)