Sicherheit ist relativ. Das hat mir der Gianni gerade verdeutlicht. Mir und dem 848er Streetfighter von Audis Außenstelle in Bologna. Dem Gianni ist nämlich in Italien seine NC 700 X umgefallen und das ist weit teurer und zudem näher als ein Sack Reis in Japan. Seither parkt er Reiben immer mit Gang.

Foto: wolf-dieter grabner http://www.theflow.cc

Das ist grundvernünftig, wenn man daran denkt. Und grundunvernünftig, wenn ich als Nächster aufsitze, Kupplung ziehe, starte und gedankenlos die Kupplung loslasse. Da wird mir auch gleich schlagartig klar, dass diese Ducati ziemlich hoch ist, jedenfalls für revuebeinmäßig Benachteiligte wie mich. 84 Zentimeter über Grund, sagt Ducati.

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Nein, ich habe sie nicht fallen gelassen, nur fast. Wäre wirklich, wirklich schade gewesen – wenn sich der gerade um zwei Zentimeter höhergelegte, recht interessant gekröpfte Lenker, der Pilot oder Pilotin dennoch recht weit nach vorne beugt, aus dem Stand in den wunderschön hochgezogenen Tank vor der ultraschmalen Taille gedellt hätte.

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Wenn ich bei der Gelegenheit aus dem Stand die seitlich doch ein Stückerl überstehenden Katzenblinzelspiegel zerschunden hätt. Die nun etwas breiteren Fußrasten an der Trottoirkante eingekürzt. Oder den schmucken Doppeltopf verkratzt oder verbeult, bevor ich noch richtig losgefahren bin. Nicht auszudenken. Deshalb kein neuer Beitrag zu Fidlers blödesten Brezen.

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Der Niki Krutak wird das gerne lesen. Der hat mir die Streetfighter von Importeur BLM ja ausgehändigt, das frisch überarbeitete Modell. Mit dem viel sagenden Versprechen: Auch laut. Und brutal!, hat er dann noch angefügt, bevor er sich den Schlüssel für meine 300-er Vespa ausgeborgt hat, die ich als Pfand bei ihm untergestellt hab. Ich weiß jetzt, was der Niki meint. Die Vespa findet er übrigens "lustig". Recht hat er.

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Vielleicht hat er ja auf meinen Erlebnisaufsatz "Das Glück liegt hinter Gußwerk" angespielt, als ich einer Vegetarierin mit 150 Pferden nachheulte. Pferden, die mir die große Schwester der nun getesteten Streetfighter zur Verfügung stellte. Maßlosigkeit im ungestümen Krafteinsatz sagte ich ihr da nach, für mich seien die kaum unter Kontrolle zu halten. Wohl auch deshalb (und nicht nur wegen ihres Neuigkeitswertes in heutiger Form) hat mir der Niki diesmal die 848-er ans Herz gelegt, die kleine Schwester also.

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Und wahrlich: Sie weiß sich bemerkbar zu machen mit mehr als erwachsenem Brummen, Böllern, Singen. Und wahrlich: Nicht unbrutal, was Ducati da aus den zwei Zylindern in 90-Grad-L-Position holt – 132 PS nämlich bei 10.000 Touren, 93,5 Newtonmeter Drehmoment. Aber hallo.

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Gut, gemütliches Herumeiern in der Stadt ist auch kein Lieblingsrevier der kleinen Streetfighterin . Da kommt der Fidler schon ins Grübeln und Tuckern, welchen der (verhältnismäßig leicht gekuppelten, präzise klickenden) Gänge wir da am besten wählen und ob das eine oder andere Strafmandat nicht doch eleganter ist als ordnungsgemäßes Rumruckeln.

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Merke, der Hersteller betont: "Der Ventil-Überschneidungswinkel von nur 11° sorgt im unteren Drehzahlbereich für mehr Leistung und Drehmoment, weicheres Ansprechverhalten und weniger Benzinverbrauch bei besseren Abgaswerten." Mir Weichei halt offenbar immer noch nicht weich genug.

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Und wenn wir schon bei den Selbstzweifeln sind: Die Streetfighter geriert sich durchaus als Fidfighter. Wir haben ordentlich gerangelt, bis wir zueinander gefunden haben in den Kurven. Der Gianni meint, ein angedeuteter Hangoff in der Kurve macht die manchmal etwas stur Wirkende zugänglicher. Das geht mir schon eher ein als sein vermeintlich eingängliches Sicherheitsbedürfnis am stehenden Gerät.

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Ich rate also als talentfreier Knieskeptiker: Auf dem supertaillierten Polsterl der kleinen Streetfighter stets eher nur die Außenbacke platzieren, wenns um die Ecke geht. Und, klar: Mir hilft natürlich auch beim Wedeln, wenn ich mich  nicht ganz so panisch an den Lenker klammere.

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Die Möglichkeiten der in acht verschiedenen Levels einstellbaren Traction Control habe ich nicht ausgelotet, und das lag nicht alleine daran, dass Fragen der Einstellung im Leben nicht die einfachsten sind. Auf L4 fand ich sie vor und blieb dabei ohne über mein gewohntes Maß hinaus durchzudrehen.

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Was habe ich sonst noch gelernt bei meiner kleinen alljährlichen Stippvisite in das Reich des Glu?

  1. Wer's deppeneinfach haben will (oder sollte, wie ich), wählt eher keine Ducati.
  2. Ich kann bei all unseren kleinen Kämpfen nicht lassen von diesen Schönen.
  3. Auch wenn Größe angeblich eine Rolle spielt: 848 Kubikzentimeter reichen. Völlig.
  4. Vielleicht brauch ich doch wieder ein richtiges Motorrad in der nicht vorhandenen Garage.

(Harald Fidler, derStandard.at, 5.8.2013)

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Ducati

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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