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Emotionale Anspannung ist Gift für den menschlichen Organismus.

Er sitzt im Auto, hochrot im Gesicht. Der langsame Fahrstil des Lenkers im Pkw vor ihm macht den Mann aggressiv. Nun wird auch noch die Ampel rot. Dabei hat er es doch eilig. Nicht auszuhalten. "Reg dich nicht so auf", sagt die Beifahrerin. "Du stirbst sonst noch an einem Herzinfarkt." Doch: Ist es überhaupt möglich, sich zu Tode zu ärgern?

"Ja", sagt Burkert Pieske, Leiter der Kardiologischen Abteilung an der Meduni Graz. "Akuter emotionaler Stress, zum Beispiel Aufregung oder Ärger, können einen Herzinfarkt auslösen." Wut über einen anderen Autofahrer kann dabei ursächlich sein, ebenso starke Anspannung während eines Fußballspiels.

In Untersuchungen fanden Wissenschaftler heraus, dass sich die Zahl akuter Herznotfälle während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland deutlich erhöhte, wenn die deutsche Mannschaft spielte. Egal, ob Sieg oder Niederlage: An Spieltagen stieg die Rate der Myokardinfarkte um mehr als das Doppelte.

Emotionale Anspannung

Verantwortlich für den stressbedingten Herzinfarkt sind leichte Ablagerungen in den Blutgefäßen, sogenannte Soft Plaques, die bei Menschen im fortgeschrittenen Alter im Regelfall auftreten. Im Alltag machen sie meist keine Beschwerden. Kommt es aber zu einer emotionalen Anspannung, steigt der Blutdruck, der Körper schüttet verstärkt Stresshormone wie Adrenalin aus. Das Herz pumpt schneller, die Belastung der Blutgefäße nimmt zu - die Plaques können einreißen.

Blut kommt in Kontakt mit den Plaques, "es entsteht so etwas wie eine innere Schnittwunde", erklärt Pieske. Leukozyten (weiße Blutkörperchen, Anm.) versuchen die Risswunde abzudichten und bilden dabei einen Pfropf (Thrombus, Anm.). Die dadurch entstehende Engstelle löst schließlich den Infarkt aus.

Hinzu kommt ein psychischer Aspekt, ergänzt Evelyne Kunschitz von der Psychokardiologie-Ambulanz am Wiener Hanusch-Krankenhaus. Personen, die beispielsweise an depressiven Verstimmungen leiden, sind stärker gefährdet, einen stressbedingten Herzinfarkt zu bekommen. "Denn das psychische Repertoire, akute Krisensituationen zusätzlich zu meistern, fehlt hier", sagt Kunschitz.

Gebrochene Herzen

Es ist nicht immer nur die eigene Aufregung, die das Herz belastet: Als am 11. März 2011 die Erde im japanischen Fukushima bebte, der Tsunami das Hab und Gut vieler Menschen zerstörte und in den Reaktoren des Atom­kraftwerks die Kernschmelze einsetzte, kam es zu einer Zunahme der Herztodesfälle. Naturkatastrophen lösen oft Infarkte oder tödliche Herzrhythmusstörungen bei jenen aus, die Hab und Gut verlieren oder um ihr Leben fürchten müssen.

Starke psychische Belastung kann auch zum sogenannten "Broken-Heart-Syndrome" (auch: japan. Tako-Tsubo-Syndrom) führen, einer akuten stressbedingten Herzschwäche. Dabei schüttet der Körper eine Überdosis Adrenalin und andere Stresshormone aus. Die Herzkranzgefäße verengen sich, das Blut zirkuliert nicht mehr richtig. Die Beschwerden fühlen sich ähnlich an wie bei einem Infarkt. "Die Schädigung des Herzmuskels kann allerdings rückgängig gemacht werden, nicht aber der psychische Stress, der dazu geführt hat. Dafür braucht es dann therapeutische Hilfe", sagt Kunschitz. Vor allem Frauen leiden am "gebrochenen Herzen".

Dauerstress vermeiden

Sollten Wut und Aufregung der Herzgesundheit wegen also möglichst vermieden werden? "Natürlich heißt das nicht, dass wir uns nicht mehr ärgern dürfen", sagt Pieske. Langfristiger, chronischer Stress sollte dem Herzen und der Psyche zuliebe aber bekämpft werden, "die Dauerbelastung hält unser Körper einfach nicht aus", sagt Kunschitz. Wer sich ständig unter Druck fühlt, hat ein höheres Risiko, an Bluthochdruck, Diabetes oder Fettstoffwechselstörungen zu erkranken. Gestresste Menschen greifen auch häufiger zur Entspannungs-Zigarette, der Belohnungs-Schokolade oder einem Beruhigungs-Achterl - und erhöhen dadurch das Risiko für einen Herzinfarkt. (Sarah Dyduch, derStandard.at, 21.8.2013)