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Der Bayer Gustl Mollath war sieben Jahre lang in der Psychiatrie.

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Mit einer selbstgezüchteten Dattel-Orange verließ Mollath am Dienstag die Anstalt.

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 Gustl Mollath ist ein freier Mann. Der 56-Jährige, der sieben Jahre lang gegen seinen Willen in der geschlossenen Psychiatrie des Bezirkskrankenhaus Bayreuths verbringen musste, hat dieses nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg am späten Dienstagnachmittag verlassen können.

"Damit ist in Bayern wieder der Rechtsstaat hergestellt", freute sich sein Anwalt Gerhard Strate. Er ist überzeugt, dass der neue, vom Gericht angeordnete Prozess gegen seinen Mandanten dessen "vollständige Rehabilitierung leisten" wird.

Der Fall Mollath gilt heute bereits als einer der größten Justizskandale der Bundesrepublik. Rückblick in den November 2002: Damals wird Mollath von seiner Frau Petra angezeigt. Sie erklärt, er habe sie körperlich misshandelt, ihre Autoreifen sowie die von Freunden und Unbeteiligten aufgestochen. Sechs Monate später erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage, es kommt zum Prozess.

Im Dezember 2003 erstattet Mollath Anzeige gegen seine Frau, die damals bei der HypoVereinsbank arbeitet. Er gibt an, sie habe Kunden geholfen, Schwarzgeld in die Schweiz zu schaffen. Die Staatsanwaltschaft lehnt ein Ermittlungsverfahren ab. 2006 bescheinigt ein Gutachter Mollath eine "wahnhafte psychische Störung und paranoide Symptome", das Landgericht Nürnberg ordnet seine Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus Bayreuth an.

Revisionsbericht im November 2012

Von dort aus bemüht sich Mollath um seine Rehabilitierung. In die Angelegenheit kommt erst Bewegung, als im November 2012 ein interner Revisionsbericht der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003 publik wird und sich zeigt, dass ein Teil von Mollaths Vorwürfen richtig war.

Mollath kann sich von diesem Zeitpunkt an nicht nur der Unterstützung seiner Freunde sicher sein. Grüne und Freie Wähler machen den Fall zum Politikum - nach dem Motto: In Bayern werden Kritiker der Mächtigen einfach in die Psychiatrie gesperrt.

Mitten im Wahlkampf

Der Fall wird zunehmend zur Belastung für den wahlkämpfenden Ministerpräsidenten Horst Seehofer und seine Justizministerin Beate Merk (CSU). Sie ordnet einen Wiederaufnahmeantrag wegen Befangenheit eines Richters an. Mollaths Anwalt Gerhard Strate tut das Gleiche, beide aber scheitern, die Befangenheitsanträge werden abgelehnt.

Die Wende brachte nun das Oberlandesgericht Nürnberg. Es urteilte am Dienstag über einen ganz anderen Aspekt - nämlich über ein missverständlich formuliertes Gutachten.

Sohn untersuchte Petra Mollath

In dem Verfahren gegen Mollath war das Attest einer Nürnberger Ärztin vorgelegt worden, das die Verletzungen von Petra Mollath dokumentiert. Doch es war nicht die Ärztin, die Frau Mollath untersucht hatte, sondern ihr auch in der Praxis tätiger Sohn. Die Mutter unterschrieb das Dokument, setzte aber den Hinweis "i. V." (in Vertretung) in so kleinen Buchstaben davor, dass es nur mit der Lupe zu erkennen war.

Das OLG Nürnberg stufte die Urkunde nun als "unecht" ein und ordnete die Wiederaufnahme des Verfahrens an. Damit entfiel die Rechtskraft des Urteils von 2006, und Mollath musste noch am selben Tag aus der Psychiatrie entlassen werden.

Fürs Erste ist Mollath ein "freier" Mann, Freunde kümmern sich um ihn. Die Entscheidung des Gerichts bedeutet aber nicht, dass Mollath nie wieder hinter Gitter oder gar in die Psychiatrie muss. Beides ist möglich, sollte eine neue Kammer des Landgerichts Regensburg zu einem entsprechenden Urteil kommen. Aber bis es so weit ist, wird noch viel Zeit vergehen. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 7.8.2013)