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Die KPÖ möchte "den Banken kein Geld mehr in den Rachen schmeißen" und eine Reihe neuer Steuern einführen. daStandard.at hat sich mit Spitzenkandidat Mirko Messner im Werkl im Goethehof getroffen und mit ihm außerdem über geförderten Wohnbau und die österreichische Linke gesprochen.

daStandard.at: Wie ist es, eine "Sonstige"-Partei zu sein?

Messner: Wir existieren nicht nur von oder für Wahlen. In Graz bzw. in steirischen Gemeinden sind wir gar nicht "sonstig“, wir haben auch Bezirksräte in Wien dazubekommen, in Linz und in Krems Gemeinderäte, sind in der Arbeiterkammer vertreten. Es ist im Grunde ein leichter, doch merkbarer Aufstieg. Dennoch - die Darstellungen in den Statistiken in den Medien ignorieren in der Regel die KPÖ, einfach aus politischen Gründen.

daStandard.at: Sie sagen, Sie hätten an Stimmen zugenommen. Bei den Wahlumfragen liegen sie bundesweit gerade bei maximal einem Prozent. Wieso hat es die KPÖ nach dem Wahlerfolg in der Steiermark nicht geschafft, den Aufwind stärker zu nutzen?

Messner: Gemeinde- und Kommunalpolitik ist eine Sache, Landespolitik ist eine zweite und eine dritte ist die Politik auf nationaler Ebene. Der Schritt von Kommunalen hin zum Nationalen ist  für die Wähler ein ziemlich großer. Und dass der faktisch möglichst schwer zu schaffen ist, dafür sorgt auch das Wahlsystem. Wir haben in Wirklichkeit in Österreich kein konsequentes Verhältniswahlrecht. Eine unserer Vorstellungen ist daher auch, dass man das Wahlrecht ändern müsste: Jede Stimme muss dasselbe Gewicht haben.

daStandard.at: Eine Möglichkeit, mehr Stimmen zu bekommen, wären ja Wahlbündnisse. Woran scheiterte heuer das linke Bündnis bei der Nationalratswahl?

Messner: Wir sind der Meinung, dass die neue Qualität eines linken Wahlbündnisses nicht darin bestehen kann, dass die KPÖ und einige noch kleinere Gruppen sich zusammentun. Wir haben bereits solche Bündnisse gehabt und das Ergebnis war, dass wir weniger Stimmen bekommen haben, als die KPÖ allein bekam. Eine neue Qualität gäbe es, wenn fortschrittlich Denkende, linksorientierte Menschen aus sozialdemokratischen, konfessionelle, grünen Milieus, gewerkschaftlich Engagierte und Menschen, die sich parteimäßig nicht binden, die in Bewegungen aktiv sind - wenn sich diese zusammentun und so etwas formen wie eine neue österreichische Linke.

daStandard.at: Warum nicht gleich "die Linke" wie in Deutschland? Wirkt das Wort "Kommunismus" im Parteinamen nicht abschreckend auf manche Wähler?

Messner: Die KPÖ ist nicht die Linke. Die Linke ist einerseits viel breiter als die KPÖ, und die KPÖ ist andererseits die einzige bundesweit organisierte politische Kraft der Linken. Wir haben in der Partei eine Diskussion geführt über den Namenswechsel und uns mehrheitlich dagegen entschieden. Der Grund ist, dass wir denken, dass das einfach eine Kostümsache wäre und nicht mehr. Die KPÖ ist die KPÖ, die Kommunisten sind die Kommunisten. Es sind nicht dieselben, die sie in den 50ern und 60ern waren. Wir haben die KPÖ grundsätzlich erneuert. Wir haben uns verabschiedet nicht nur von den Auswüchsen und Verbrechen des Stalinismus, sondern überhaupt von den autoritären Sozialismusvorstellungen.

Wir sind weggegangen von der Vorstellung, die KPÖ sei die einzige linke Kraft und an ihr gehe nichts vorbei. Wir empfinden uns als Teil der Linken, die sich aber in Österreich politisch erst konstituieren muss. Das unterscheidet die österreichische Situation ganz stark von der in Deutschland. Der Platz der Linken im österreichischen Parlament ist unbesetzt. Diesen Platz wollen wir besetzen.

daStandard.at: Warum gibt es denn in Österreich keine formierte Linke?              

Messner: Ich mache es mir leicht und sage: Diese Frage ist zu richten an jene, die noch immer an jenen Parteien hängen, die in Wirklichkeit Teil des Problems sind, und nicht Teil der Problemlösung. Dabei hat es schon seine Begründungen, die speziell österreichisch sind. Die österreichische Sozialdemokratie ist eine der stärksten der Welt gewesen, und der linke Flügel hat sich nie von der Sozialdemokratie getrennt. Während anderswo die kommunistischen Parteien aus einem Spaltungsprozess der Sozialdemokratien hervorgegangen sind, war das in Österreich nicht der Fall. Die Sozialdemokratie hat schon sehr früh links sprechen begonnen, aber rechts fahren. Links zu blinken und rechts zu fahren ist ihre uralte Tradition. Und insofern war das auch ein Grund dafür, dass sich so etwas wie eine Linke außerhalb der Sozialdemokratie, die gesellschaftlich eine Kapazität dargestellt hätte, nicht gebildet hat.

daStandard.at: In der Steiermark haben sie vor allem mit Wohnpolitik gepunktet. Was sind ihre Positionen zu diesem nicht unpopulistischen Thema?

Messner: Das ist meiner Meinung nach mit dem herkömmlichen Begriff des Populismus überhaupt nicht zu beschreiben, es ist vielmehr ein Anknüpfen an die Lebensinteressen der Menschen. Das Wohnen muss zum Menschenrecht werden, es muss dem Marktmechanismus entzogen werden.  Es ist heute ist vor Allem deshalb eine Ware, weil sich die Gemeinden aus dem Wohnbausektor zurückgezogen haben. Das heißt, dass es de facto keinen kommunalen Wohnbau mehr gibt, oder nur mehr in Restbeständen. Das ist eine der wesentlichen Forderungen, die wir haben. Es muss der kommunale Wohnbau wieder aufgenommen werden. Das ist ein gewaltiges gesellschaftliches Anliegen. Wenn sich Wien identitär von anderen Großstädten unterscheidet, ist es historisch betrachtet genau das, abgesehen von der k.u.k.-Nostalgie natürlich. Die kommunalpolitische Orientierung der Zwischenkriegszeit hat Wien zu seiner Identität verholfen, und von der hat sich die Sozialdemokratie verabschiedet.

daStandard.at: Besonders im geförderten Wohnbau läuft das Zusammenleben (mit Migranten) nicht ganz reibungslos ab. Wie könnte da Abhilfe geschaffen werden?

Messner: Ich wohne auch in einem Wohnblock, dort gibt es auch Konflikte, aber es gibt keinen einzigen Migranten. Natürlich gibt es bei jeglichem Zusammenleben in großen Wohnblöcken Probleme. Das hat aber primär nichts mit migrantischen Zusammenhängen zu tun, sondern damit, dass die Interessenslagen der Menschen auch bezüglich des Wohnens verschieden sind. Das muss am besten selbstverwaltet geregelt werden mit Unterstützung der Kommune. So wie das in Graz der Fall ist, weil die KPÖ dafür verantwortlich ist. Die Grazer KPÖ hat ausgezeichnete Konzepte diesbezüglich.

daStandard.at: Es gibt immer wieder Verdrossenheit darüber, dass Migranten ebenfalls Gemeindewohnungen bekommen dürfen. Für wen sollen die Wohnungen des kommunalen Wohnbaus da sein?

Messner: Für die Menschen. Ich glaube nicht, dass es irgendeinen Grund gibt, von der Erklärung der Menschenrechte zurückzuweichen. Wenn dort deklariert wird, dass alle Menschen gleich sind, dann ist das der Minimalstandard, an den man sich halten kann. Alleine diese bescheidene Forderung wird aber von der herrschenden Politik in Frage gestellt. In Wirklichkeit ist das ein ganz tief sitzender Rassismus, der da wirkt.

daStandard.at: Die Grünen haben bei der Wien-Wahl versprochen, ein Jahresticket für die öffentlichen Verkehrsmittel um 100 Euro anbieten zu können. Wie viel sollen ihrer Meinung nach die Öffis kosten?

Messner: Wir sind für freie Fahrt auf sämtlichen öffentlichen Verkehrsmitteln. Das muss natürlich gekoppelt werden mit einer Vielfalt verkehrstechnischer, regionaler, urbanistischer und ökologisch sinnvoller Maßnahmen. Ich denke, dass die Mobilität heute unter den Umständen, unter denen wir leben, ganz ein wesentliches Element der Lebensqualität und der Teilhabe am sozialen und kulturellen Geschehen ist.

daStandard.at: Wie wäre diese Idee zu finanzieren?

Messner: Ich lasse mich auf Detail-Fragen der Finanzierung überhaupt nicht mehr ein. Es gibt die Berechnung, dass in einem Jahr bei den EU-Staaten aufgrund von legaler und illegaler Steuerflucht Tausend Milliarden Euro verloren gehen. Es gibt die Tatsache, dass es immer mehr Millionäre gibt in Österreich, und die Tatsache, dass wir in den letzten zehn Jahren eine Produktivitätssteigerung von 30 Prozent hatten - die Reallöhne sind im selben Zeitraum gleich geblieben, wenn nicht sogar gesunken. Wenn man das alles zusammennimmt, ist da eine unglaubliche finanzielle Kapazität. Bei den Konzernen, den Reichen und Superreichen kann das nötige Geld geholt werden.

Man kann die Wertschöpfungsabgabe einführen, die Vermögenssteuer wieder einführen und die Körperschaftsteuer erhöhen, die Gruppenbesteuerung und die Steuerprivilegien für Stiftungen abschaffen, den Banken keinen Cent mehr aus öffentlichen Geldern in den Rachen schmeißen, die Reallöhne an den Produktivitätszuwachs binden. Es gibt eine Palette von Möglichkeiten, die Frage ist nur, warum wird das nicht getan? Warum wird nur geredet von einer Finanztransaktionssteuer?  Weil die tonangebenden Parteien verfilzt sind mit den ökonomischen Zentren und die Logik der Profitmaximierung zur eigenen Logik gemacht haben.

daStandard.at: Das übliche Argument gegen neue Steuern ist, dass dann der Wirtschaftsstandort uninteressant wird.

Messner: Das sagen sie in jedem Staat. Es ist in jedem Staat auch die Politik entscheidend. Man stelle sich vor: Der Beschluss im Jahr 2008 im österreichischen Parlament - damals war die Regierung nicht einmal wirklich gebildet. Es haben sämtliche Parteien dieses 100-Milliarden-Bankenpaket beschlossen. Davon redet gar niemand mehr. Die Selbstverständlichkeit, mit der Milliarden verbrannt werden, wird zu einem Bestandteil des Lebens, und dann wird gefragt, wie man unsere Forderungen finanzieren soll. Es ist eigentlich unglaublich.

daStandard.at: Welche Prognose liefern Sie für die Wahl?

Messner: Das Resultat ist von jenen Menschen abhängig, die uns schon einmal gewählt haben und die sich hoffentlich nicht wieder zurückziehen auf die Philosophie des kleineren Übels. Ich denke, dass das kleinere Übel immer das größere begründet. Wenn uns alle, die uns schon einmal gewählt haben, diesmal auch wählen und nicht zu den Nichtwählern oder anderen „kleineren Übel-Parteien“ zurückkehren, dann haben wir sicher eine Chance. (Olja Alvir/Balázs Csekő, daStandard.at, 5.8.2013)