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Was im Internet gepostet wird, ist oft unter jeder Kritik - aber noch legal. Mitunter sind die Äußerungen aber so schlimm, dass eine Facebook-Seite ein Fall für das Strafgericht wird.

Foto: AP/David Goldman

Wien - Jadwiga S. würde man eher beim Fünfuhrtee in einem gediegenen Innenstadtcafé erwarten und nicht im stickigen Saal 207 des Wiener Straflandesgerichts. Mit breitkrempigem Strohhut, passender Strandtasche und Fächer nimmt die 61-jährige Wienerin vor Richter Stefan Apostol Platz, um sich ihrem Prozess wegen Verhetzung zu stellen.

Denn das distinguierte Äußere der ehemaligen Unilektorin, die in ihrem Geburtsland Polen Deutsche Philologie studiert hat, steht in krassem Gegensatz zu ihrem vergifteten Inneren, wirft ihr Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter vor. Über Monate soll die Pensionistin auf ihrer Facebook-Seite wüsteste islamophobe und antisemitische Ausbrüche gepostet haben.

Pseudonym Jan Sobieski

Ein Fall für die Justiz wurde die unter dem Pseudonym des polnischen Königs Jan Sobieski Schreibende, nachdem der Linzer Datenforensiker und Rechtsxtremismusexperte Uwe Sailer sowie der Grünen-Nationalratsabgeordnete Karl Öllinger sie angezeigt hatten.

S. bekennt sich nicht schuldig. "Gut, es war beleidigend, das gebe ich zu. Aber ich wurde ja bombardiert mit makabren Videos, wo Christen verstümmelt und getötet wurden", verteidigt sie sich. Apostol wirft ihr trocken Zitat um Zitat hin. "Allahu kackbar", hat sie dort für ihre fast 600 Freunde geschrieben. "Das schreiben mittlerweile alle", kontert die Angeklagte. Zu "Islamdreck" fällt ihr ein, dass sie damit "Al-Kaida und die Türkenbande, die in letzter Zeit aufgeflogen ist", gemeint habe.

"Jüdische Weltverschwörung auch in Google"

"Wie stehen Sie zu Israel?", will Apostol wissen. "Es gibt dort auch Gute. Ich bin nur gegen Zionisten." "Da haben Sie aber nur gepostet: Vielleicht zeigt Syrien erstmals den Juden die Zähne, und Ruhe ist mit dem Drecksvolk."

Nationalsozialistisches Gedankengut weist sie empört von sich: "Mein Vater hat bei der Polnischen Heimatarmee gegen die Nazis gekämpft!" Gleichzeitig belehrt sie den Richter, dass "die jüdische Weltverschwörung auch in Google steht". "Da steht viel", stellt der Angesprochene fest.

"Ein Paradebeispiel für Verhetzung"

Überhaupt sieht sich die Angeklagte primär als mutige Kämpferin. Sie habe stets nur agiert, wenn sie etwas aufgeregt habe - Äußerungen des in Deutschland als Hassprediger geltenden Pierre Voges oder Videos aus dem Netz, beispielsweise. "Ich bin Europäerin, bin im Christentum aufgewachsen. Aber die Ausländer nutzen unseren Sozialstaat aus und werden kriminell."

Im Netz bot S. ihre Lösung an: "In Viehwagons packen" , "ausrotten", "One-Way-Ticket", "die Anlagen in Polen aktivieren". "Ja, da ist mir die Sicherung durchgebrannt", sagt sie.

Für Apostol ist der Fall klar: "Das ist ein Paradebeispiel für Verhetzung, Sie haben auch keine Reue gezeigt." Die rechtskräftige Strafe von neun Monaten bedingt sei aber ausreichend. "Es ist nicht nötig, sie aus generalpräventiven Gründen gleich ins Gefängnis zu schicken." (Michael Möseneder, DER STANDARD, 7.8.2013)