Die nostalgisch gefärbte Sehnsucht nach vergangenen Kindheits- und Jugendtagen hat in meiner Generation dazu geführt, dass Friedrich Nietzsches Zitat "Was mich nicht umbringt, macht mich härter" heute im Sinne von "Was wir ertragen mussten, vermissen wir, sobald es nicht mehr da ist" interpretiert wird. In Österreich sorgt dieses Phänomen unter dem Motto "Wickie, Slime und Paiper" immer noch für die nachträgliche Verklärung mühsam überwundener Mode-, Musik- und genereller Geschmackstorheiten, deren einziger Wert darin besteht, dass sie uns an früher erinnern. Auch ich bin gegen derartige Sentimentalitäten keineswegs immun, wie ich unlängst beim Lesen eines Abschiedsinterviews mit Peter Westenthaler in der kaufbaren Gratiszeitung Österreich feststellen musste.

Dieser will in Zukunft nur mehr Immobilienmakler sein, ein Job, der ihn laut einem Kurier-Interview schon vor einem Jahr "rund um die Uhr" beschäftigte, denn "mehr Zeit habe ich nicht, als dass ich Tag und Nacht Immobilien verkaufe". Wofür er dann in der Zwischenzeit sein Abgeordnetengehalt bekommen hat, verrät er uns nicht. Es ist aber nicht schlechtes Gewissen wegen dieses Sachverhaltes, das ihn aus der Politik scheiden lässt: "Das Image der Politiker ist sehr viel schlechter geworden. Das Problem ist dieses permanente Lächerlichmachen. Die Politiker werden heute nur mehr runtergedodelt" klagt er, was aus seinem Mund klingt wie ein Lamento Richard Lugners über die Verwerflichkeit von Mediengeilheit.

Und schon beginnt man sich wehmütig zu erinnern, wie es Westi in 25 Jahren gelungen ist, die Begriffe "Politik" und "runterdodeln" virtuos zu vereinen, sei es in Worten - Zitat aus einem Standard-Interview: "Busek lässt keine Gelegenheit aus, die FPÖ anzupinkeln. Beim ersten Mal haben wir gesagt, gut, schlucken wir das runter." - oder in Werken: Das von ihm gesungene Lied Wir halten zam ist immer noch per BZÖ-Podcast abrufbar (Textprobe: "Wir halten zam ein Leben lang, und unser Herz schlagt orange, nanana nanahe, nanana nanahe").

Auch eine spezielle Westi-Zahl kommt einem in den Sinn, nämlich 300.000. Um so viel Euro hat er laut Aussagen von Exmitarbeitern ein siebenseitiges Scheingutachten für die Casinos Austria in Auftrag gegeben, dessen Preis vom Gerichtsgutachter als "auch bei großzügigster Auslegung mindestens 20-fach überzogen" bezeichnet wird und dafür nicht einmal ein rechtschreibfehlerfreies Deckblatt bietet. 300.000 ist aber auch die Anzahl jener Ausländer, die Westenthaler einst "abschieben" wollte - die größte Massendeportation aus unserem Land seit Kriegsende.

Spätestens da wird das erinnerungsselige Schmunzeln von postnostalgischen Katersymptomen abgelöst, so wie einem einfällt, dass auch Slime mehr grauslich als lustig war und die Produktion des per Unterschriftenaktion zurückgeforderten Paipers längst wieder eingestellt wurde. Letzte Zweifel, ob man ihn nicht doch vermissen werde, zerstreut Westenthalers Verteidigung von Jörg Haider: "Das war doch genial, wie er den Bayern diese hinige Bank umgehängt hat."

Würden Sie von diesem Mann eine Immobilie kaufen? (Florian Scheuba, DER STANDARD, 8.8.2013)