Prag - Nachdem die Expertenregierung unter Premier Jiri Rusnok bei der Vertrauensabstimmung durchgefallen ist, soll schon nächste Woche eine außerordentliche Sitzung des tschechischen Abgeordnetenhauses stattfinden, auf der die Parlamentskammer ihre Auflösung beschließt und damit vorgezogene Wahlen herbeiführt. Einen entsprechenden Antrag wollen die Sozialdemokraten (CSSD), die Kommunisten (KSCM) sowie die rechtsliberale Partei TOP 09 unverzüglich vorlegen.
Diese drei Parteien, die im 200-köpfigen Unterhaus über insgesamt 122 Stimmen verfügen, haben sich darauf am Donnerstag geeinigt. Für die Auflösung der Kammer ist die Verfassungsmehrheit von mindestens 120 Stimmen erforderlich.
Ein genauer Termin der Parlamentssitzung wurde zunächst nicht festgelegt. CSSD-Chef Bohuslav Sobotka sprach aber vom kommenden Dienstag oder Mittwoch. "Es gibt keinen Grund zu warten und die politische Instabilität zu prolongieren", meinte Sobotka in Anspielung auf die seit Wochen andauernde politische Krise in Tschechien, die nach einer Korruptions- und Bespitzelungsaffäre und dem Rücktritt der Regierung von Premier Petr Necas (ODS) ausgebrochen war.
Auch Top 09 nun für Neuwahlen
Bisher waren nur die CSSD, KSCM und die populistische Partei Öffentliche Angelegenheiten (VV) für die Selbstauflösung des Parlaments. Nach der gestrigen Vertrauensabstimmung, bei der die von Staatspräsident Milos Zeman ohne Neuwahl eingesetzte Experten-Regierung unter Rusnok scheiterte, schloss sich dem auch TOP 09 an. Die konservative Demokratische Bürgerpartei (ODS) hat sich zunächst nicht zu einer Selbstauflösung geäußert.
Die Möglichkeit der Selbstauflösung des Unterhauses war 2009 per Verfassungsnovelle eingeführt worden. Der eigentliche Akt der Auflösung obliegt demnach dem Staatspräsidenten, der nach einem entsprechenden Parlamentsbeschluss vorgezogene Parlamentswahlen so ausrufen muss, dass diese binnen 60 Tagen nach seiner Auflösung der Kammer stattfinden können. Für die Auflösung des Unterhauses nach dem Beschluss der Kammer hat der Staatspräsident aber keine gesetzliche Frist. Obwohl der aktuelle Präsident Zeman bisher als Gegner von Neuwahlen galt, hoffen die Parteien, die für Neuwahlen sind, dass diese womöglich im Oktober stattfinden. Regulär würde in Tschechien erst im Mai 2014 gleichzeitig mit den Europawahlen gewählt.
ODS-Abgeordnete ausgeschlossen
Obwohl die Ablehnung des Rusnok-Kabinetts ein Erfolg der früheren Mitte-Rechts-Koalition (ODS, TOP 09, LIDEM) unter Necas zu sehen ist - die drei Parteien wollten ohne Wahl eine neue Regierung gegen den Willen Zemans bilden - zeigte das Votum gleichzeitig, dass diese Koalition nicht mehr über die knappe absolute Mehrheit von 101 Stimmen im Parlament verfügt, wie sie es stets betonte. Insbesondere verließen zwei ODS-Abgeordnete im Widerspruch zur Parteilinie unerwartet den Saal, um nicht gegen Rusnok stimmen zu müssen. Ein paar Stunden danach wurden sie aus dem ODS-Klub ausgeschlossen, und einer der beiden trat aus der ODS aus.
Auf die Abwesenheit der zwei ODS-Parlamentarier reagierte die Chefin der Kleinpartei LIDEM Karolina Peake und verließ überraschend auch den Saal. Sie habe im Vorgehen der beiden einen "Verrat" an der früheren Koalition gesehen, so Peake. Am Donnerstag besiegelte sie dann den Zerfall der bisher proklamierten "Mehrheit" der früheren Koalition mit dem Rücktritt von der Parteispitze. (APA, 8.8.2013)