Guatemala-Stadt – "Das ist außergewöhnlich, das gibt es nur einmal im Leben eines Archäologen", meint Francisco Estrada-Belli. Der Historiker ist begeistert über einen aufsehenerregenden Fund, den er und sein Team aus Boston vor wenigen Wochen im Norden Guatemalas nahe der Grenze zu Belize gemacht haben. Die Forschergruppe hat im Juli in der Maya-Ruinenstadt Holmul im Department Petén Ausgrabungen unter den 20 Meter hoch aufgetürmten Resten eines jüngeren Gebäudes durchgeführt. In einem Gang, den vermutlich Plünderer hinterlassen haben, stießen die Archäologen auf eine bisher unbekannte Pyramide. Geschmückt ist das Bauwerk mit einem spektakulären Steinfries.

Wie Estrada-Belli am Mittwoch bei der Präsentation der Entdeckung berichtet, dürfte das Relief rund 1.500 Jahre alt sein. Es befinde sich in einem einmalig guten Zustand, meint der Forscher. Rund 95 Prozent des Bildnisses seien erhalten geblieben. Die acht Meter lange und zwei Meter hohe Steinmetzarbeit zeigt Reste einer früheren Bemalung. Die Wissenschafter fanden rote, blaue, grüne und gelbe Farbreste. Zu sehen sind mehrere Personen und mythologische Wesen. Darunter verläuft eine Bordüre aus 30 Schriftzeichen, aus der hervorgeht, dass das Bauwerk durch den Herrscher von Naranjo, einem weiter südlich gelegenen Königreich, in Auftrag gegeben worden war.

Im Detail zeigt das Relief drei menschliche Figuren mit aufwändigen Federkopfbedeckungen und Jade-Schmuck, die mit überkreuzten Beinen über dem Kopf eines Berggeistes sitzen. Jedes Individuum trägt eine Namenskartusche auf dem Kopf, zu entziffern war aber nur die der zentralen Figur: Och Chan Yopaat, was etwa so viel bedeutet wie "der Sturmgott steigt in den Himmel auf". Zwei gefiederte Schlangen treten aus den Berggeistern unter der Hauptfigur in der Mitte hervor und bilden mit ihren Körpern einen Bogen. Darunter zeigt das Relief zwei alte Gottheiten, die ein Schild mit Schriftzeichen tragen. Vor den Mäulern der Schlangen sitzen zwei weitere Figuren.

Andere Inschriften geben wertvolle Informationen zu den lokalen politischen Verhältnissen und legen nahe, dass der Einfluss Holmuls zeitweise größer war, als bisher angenommen wurde. Die Schriftzeichen berichten von zahlreichen Allianzen, die bis nach Teotihuacán im heutigen Mexiko reichten. Dadurch konnte Holmul sogar das mächtige Maya-Königreich Tikal im Süden in Bedrängnis bringen. Aus den dargestellten Ereignissen konnten die Forscher schließen, dass das Gebäude in den 590er Jahren errichtet wurde.

Die Stadt Holmul wurde um 800 vor unserer Zeitrechnung gegründet. Erst als die Maya-Zivilisation um das Jahr 900 zusammenbrach, wurde auch Holmul verlassen. Das macht die Stadt mit 1.700 Jahren zu eine der am längsten besiedelten Maya-Stätten. Den Höhepunkt ihrer Macht erreichte die Stadt zwischen 750 und 900. Zu dieser Zeit dürfte Holmul enormen Einfluss auf die umliegenden Königreiche gehabt haben. (tberg, derStandard.at, 8.8.2013)