Washington/Wien - Der Mensch ist und bleibt ein Herdentier. Das ändert sich auch nicht, wenn er im Internet surft - ganz im Gegenteil: Werden Inhalte im Internet zu Beginn positiv bewertet, dann sammeln sie häufiger weitere Zustimmung, fanden Forscher aus Israel und den USA in einem Experiment heraus.
Die Experten um Lev Muchnik (Hebräische Universität Jerusalem) untersuchten eine Internetplattform, auf der Nutzer Links zu Nachrichten oder lustigen Geschichten teilen und diskutieren können. Dabei können sie die Kommentare anderer Nutzer mit einer positiven oder einer negativen Bewertung versehen, einem sogenannten Upvote oder Downvote. Welche Seite sie untersuchten, teilten die Forscher "aus rechtlichen Gründen" nicht mit.
Die Muchik und seine Kollegen beobachteten während fünf Monaten mehr als 100.000 Kommentare auf der untersuchten Seite. Dabei manipulierten sie die erste Bewertung einiger Kommentare: Manche erhielten ein automatisches Plus, andere ein Minus. Es zeigte sich: Wurde ein Kommentar zuerst positiv bewertet, zog er weitere Unterstützung an. Solche Kommentare hatten am Ende eine um ein Viertel höhere Bewertung als Vergleichskommentare ohne künstlichen Vorsprung. "Die kleine Manipulation einer einzigen positiven Erstbewertung führte aufgrund des sozialen Einflusses zu einer signifikant höheren Gesamtbewertung", schreiben die Forscher im Fachblatt "Science".
Ausgleichseffekt bei negativer Erstbewertung
Bei einer negativen Erstbewertung hingegen kam es zu einem Ausgleichseffekt. Die nächste Bewertung war oft positiv: Offenbar wollten Nutzer den schlechten Eindruck der ersten Bewertung ausgleichen. Auch ohne den Trick der Forscher verteilten Nutzer allgemein mehr positive als negative Bewertungen auf der Seite. Facebook hat diese Tendenz zum Prinzip erhoben, hier gibt es nur den "Daumen hoch"-Knopf.
"Während sich positiver Einfluss ansammelt und eine Tendenz zu Bewertungsblasen aufweist, wird negativer Einfluss von der Menge der Nutzer korrigiert", fassen die Forscher ihre Ergebnisse zusammen. Generell zogen Kommentare, die schon eine Bewertung aufwiesen, weitere Bewertungen an. Nutzer waren also eher geneigt, ihre Meinung kundzutun, wenn das schon jemand vor ihnen getan hatte. (dpa, tasch, DER STANDARD, 9.8.2013)