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.VP-Chef Spindelegger, Kampagnenleiter Rauch: Ihr Wahlprogramm ist teurer als die Präsentation.
Wien - Michael Spindelegger will kein Besserwisser sein. Auf seiner Sommertour durchs Land, erzählt der Vizekanzler, sei er ausgiebig am Ohr der Bürger gehangen. Das nun vorgelegte, 85 Seiten starke Wahlprogramm fuße deshalb auf dem, "was die Menschen wollen".
In erster Linie seien das mehr Arbeitsplätze, hat Spindelegger erfahren. Das Rezept dafür glaubt er in jenem unternehmensfreundlichen Maßnahmenmix gefunden zu haben, den er als "Entfesselung der Wirtschaft" anpreist. 420.000 Jobs will der VP-Chef bis 2025 schaffen und beruft sich auf eine Berechnung des von der Industriellenvereinigung (IV) finanzierten Instituts Eco Austria.
Ist dieses Ziel in Reichweite? Durchaus, wenn man der Statistik glaubt: Demnach ist die Zahl der Beschäftigten binnen der letzten acht Jahre um etwa jene 420.000 gestiegen. Enger wird es jedoch, wenn man das Wahlprogramm wörtlich nimmt. Dort ist entgegen Spindeleggers Worten nämlich bereits von 2018 die Rede.
Wer bei Ökonomen IV-fernerer Denkschulen nachfragt, hört so oder so massive Zweifel: Ein derartiger Schub sei nur möglich, wenn auch die Nachfrage angekurbelt werde, statt allein auf Liberalisierungen zu setzen - schließlich seien in der aktuellen Flaute viele Betriebe unausgelastet.
Für ein logisches Zwillingsprojekt hält Spindelegger eine Steuerentlastung, konkret die Senkung der Steuer- und Abgabenquote von derzeit 44,3 auf 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) bis 2020. Genau das gleiche Versprechen hatte die ÖVP bereits 2002 in ihr Programm geschrieben - damals noch mit Zieldatum 2010. Da ein Prozent des BIP aktuell etwa drei Milliarden Euro beträgt, würde dies eine Budgetlücke von 13 Milliarden aufreißen - der Staat müsste noch einmal doppelt so viel kompensieren, wie das jüngste Konsolidierungspaket in der Endausbaustufe 2016 an Einsparungen vorsieht. Von einem neuen Sparpaket steht im Programm freilich nichts. Woher das Geld kommen soll? Aus einem Wirtschaftsaufschwung, antwortet Spindelegger - natürlich dank vorhergehender Entfesselung.
Allein 2,5 Milliarden will sich die ÖVP ihr Herzensprojekt kosten lassen: Jedem Elternteil soll pro Kind in Ausbildung unter 24 ein Steuerfreibetrag von 3500 Euro pro Jahr zustehen. Ein "Grundeinkommen" für Familien, wie das Programm verheißt? Nicht für alle. Wer ein Einkommen von unter 11.000 Euro Bemessungsgrundlage im Jahr bezieht, zahlt keine Einkommenssteuer und hat von Freibeträgen deshalb gar nichts. Somit sind 1,47 Millionen schlecht verdienende Erwerbstätige und 1,04 Millionen Pensionisten a priori von der Entlastung ausgeschlossen.
Weniger konkret sind andere von Spindelegger hervorgehobene Eckpunkte - so etwa die "Entbürokratisierungsinitiative" oder die Flexibilisierung der Arbeitszeiten: Letztere sollen erst einmal die Sozialpartner aushandeln. (Gerald John, DER STANDARD, 9.8.2013)