Wien - Elf Tage vor Weihnachten haben die Österreicher andere Sorgen, als sich von der Regierungsspitze den "größten Umbau des Rechtsschutzes in Österreich seit 1920" erklären zu lassen.
Als Bundeskanzler Werner Faymann im Dezember 2011 diese Ankündigung machte, war ihm ebenso wie Vizekanzler Michael Spindelegger klar, dass sie mit der Reform des Verwaltungsverfahrens keine besonders schönen Blumentöpfe gewinnen würden - mochten auch die Experten die Abschaffung von mehr als 120 Verwaltungssenaten und Sonderbehörden sowie die damit verbundene Straffung des Amtswegs noch so loben. Pech.
Als es eineinhalb Jahre später ernst wurde mit der Einrichtung der neuen, straff organisierten Verwaltungsgerichte, erntete die Regierung viel mehr Aufmerksamkeit. Aber da waren die möglichen Einsparungen und der Gewinn an Rechtssicherheit längst kein Thema mehr: Im Sommer 2013 beherrschte nur mehr die Personalfrage die Diskussion. Stichwort: parteipolitische Besetzung der neuen Verwaltungsrichter-Ämter, direkte Drähte in die Kabinette von Ministern und von Landesräten oder gar in Parteizentralen. Noch mehr Pech.
Abseits des politischen Geplänkels bekommt die Regierung allerdings von einer Institution Respekt gezollt, mit der sie sonst im Dauerclinch liegt: Der Beamtengewerkschafter und ÖGB-Vizepräsident Norbert Schnedl lobt im STANDARD-Gespräch die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit als "eine der bedeutendsten Reformen überhaupt". Dieselbe Einschätzung kommt wortgleich aus dem Büro von Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek.
Nicht gegen Mitarbeiter
Schnedl betont überhaupt, dass sich Dienstgeber und Dienstnehmer in den vergangenen Jahren in vielen Punkten einig geworden sind: "Wo die Sinnhaftigkeit einer Reform offensichtlich ist, wo mit den Betroffenen Einvernehmen herrscht und genügend Zeit für eine Implementierung herrscht", könne man Fortschritte erzielen, sagt Schnedl, "aber umgekehrt gilt: Reformen gegen die Mitarbeiter gehen nicht."
Das deckt sich auch weitgehend mit dem Zugang von Heinisch-Hosek: Sie hat 2011 einen "Reformdialog" in Gang gebracht - auf der eigens eingerichteten Website wurden gut 1000 Reformideen eingebracht, 55 Prozent davon von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes.
Erfolgreich verlief etwa eine kleine Dienstrechtsreform, bei der die Bologna-Architektur des Hochschulstudiums durch entsprechende Anerkennung von Bachelor-Abschlüssen im öffentlichen Dienst verankert wurde.
Im Einvernehmen mit der Gewerkschaft (und unter argwöhnischer Beobachtung von Wirtschaftstreibenden, die eine Beispielwirkung befürchten) hat der Bund auch festgelegt, dass öffentlich Bedienstete privat Internet und E-Mail nutzen dürfen und dass nur in bestimmten Fällen (etwa bei Virusbefall und anderen akuten Gefahren für die Systemsicherheit) und unter strengen Auflagen, sprich: mit Einbindung der Personalvertretung, kontrollierend eingegriffen werden darf.
Apropos IT: Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer bewerten die Fortschritte bei der Einführung von E-Government (Stichwort: "elektronischer Akt") als positiv - uneinig ist man aber über die Nebeneffekte. Denn die Gewerkschaft sieht die gestiegene Effizienz nicht als ausreichenden Ausgleich für den jährlich stärker werdenden Personalmangel.
Zwar haben die Mobilitätsprojekte etwa 700 Postler und 200 ehemalige Beschäftigte des Verteidigungsressorts auf Arbeitsplätze in anderen Ressorts gebracht, doch ist weder die große Dienstrechtsnovelle mit einem modernen, flacheren Besoldungsverlauf (für die das Lehrerdienstrecht nur eine Vorstufe ist) noch gar die große Aufgabenreform in Sicht.
Das neue Dienstrecht wäre notwendig, weil im öffentlichen Dienst eine Pensionierungswelle ansteht und die neu aufzunehmenden Vertragsbediensteten (Beamte wird es künftig immer weniger geben) abschätzbare Karriere- und Einkommensverläufe brauchen, wie auch im Reformdialog mit Ministerin Heinisch-Hosek immer wieder betont worden ist. Aber diese Änderungen kosten in der Umstellungsphase Geld, das Heinisch-Hosek frühestens im Budget 2016 sieht. Beispiele gäbe es: In Niederösterreich und der Steiermark gelten längst neue Bestimmungen, Vorarlberg hat den Beamtenstatus de facto überhaupt abgeschafft.
Womit der umstrittenste Bereich der Verwaltungsreform angesprochen wäre: Der Föderalismus gilt Verfechtern einer radikalen Verwaltungsvereinfachung als wesentlicher Kostentreiber, gibt es doch in allen Ländern unterschiedliche Verwaltungskulturen und Landesgesetze. Andererseits zeigen gerade die Länder ambitionierte Sparprogramme. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 12.8.2013)