In der NSA-Spähaffäre, die in Deutschland immer noch große Wellen schlägt, soll der frühere Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier vorerst nicht vor dem Bundestags-Kontrollgremium aussagen. Ihm war vorgeworfen worden, er habe mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2002 die Zusammenarbeit des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND mit dem US-Geheimdienst NSA ermöglicht. Vor Journalisten wies Steinmeier dies zurück. Der heutige Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag war unter SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder (1998-2005) Chef des Kanzleramtes.

"Statt die Suchscheinwerfer einzuschalten, werden von der Merkel-Regierung Nebelkerzen geworfen"

Die Koalitionsvertreter im Bundestagsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste hatten in zwei Abstimmungen eine sofortige Aussage Steinmeiers abgelehnt. Zunächst sollten bei der Sitzung die Tagesordnung abgearbeitet und die Erklärungen des heutigen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla (CDU) abgewartet werden, hieß es in Fraktionskreisen.

Steinmeier hielt der deutschen Regierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) daraufhin vor, nicht an der Aufklärung der Affäre interessiert zu sein. "Statt die Suchscheinwerfer einzuschalten, werden von der Merkel-Regierung Nebelkerzen geworfen", sagte Steinmeier am Montag am Rande einer Sitzung des Gremiums.

Dem Geheimdienstausschuss stand erneut Kanzleramtsminister Pofalla Rede und Antwort. Auch der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, erschien zu der Sitzung. Der deutsche Auslandsgeheimdienst sieht sich dem Verdacht ausgesetzt, er könnte durch die Weitergabe von Handynummern bei der gezielten Tötung von Verdächtigen im Ausland geholfen haben. Schindler soll Medienberichten zufolge die Weitergabe von Mobilfunknummern verdächtiger Zielpersonen an ausländische Partnerdienste angeordnet haben. Der BND räumte zwar ein, dass Mobilfunkdaten übermittelt würden. Sie seien aber "für eine zielgenaue Lokalisierung nicht geeignet".

Steinmeier kritisierte, seit Tagen erweckten Union und FDP mit "Lügen und Vertuschungen" den Eindruck, dass seine Aussage vor dem Geheimdienstausschuss unausweichlich sei. Sie gaukelten der Öffentlichkeit vor, dass die flächendeckende und lückenlose Kontrolle durch ausländische Geheimdienste mit Entscheidungen der rot-grünen Regierung zu tun habe. Das Gegenteil sei der Fall: Mit der Entscheidung von 2002 über die Geheimdienstzusammenarbeit sei das Abhören in Deutschland nicht ausgedehnt, sondern eingeschränkt worden, da der US-Lauschposten im bayrischen Bad Aibling erstmals überhaupt deutschem Recht unterstellt worden sei.

Verantwortung

Mit den Vorwürfen gegen ihn versuche die Regierung nur, sich aus der Verantwortung zu stehlen, erklärte Steinmeier. Die wahren Fragen der Abschöpfung von Daten durch den US-Geheimdienst NSA in Deutschland seien alle noch offen. Er sei weiter bereit zu einem Auftritt im Kontrollgremium. Wenn es dazu nun jedoch mit zeitlichem Vorlauf doch noch kommen sollte, gehe er davon aus, dass sich auch Merkel und der frühere Kanzleramtschef Thomas de Maiziere den Fragen des Ausschusses stellten.

Steinmeier war vergangene Woche ins Visier der Koalitionsparteien geraten, nachdem die deutsche Regierung erklärt hatte, in seiner Zeit als Kanzleramtschef sei 2002 ein Abkommen zur verstärkten Zusammenarbeit zwischen Bundesnachrichtendienst und US-Geheimdienst NSA geschlossen worden. Die SPD hatte daraufhin überraschend vorgeschlagen, Steinmeier schon am Montag anzuhören. Der SPD-Fraktionschef wirft der Bundesregierung vor, mit ihren Vorhaltungen lediglich von eigenem Versagen ablenken zu wollen. Er argumentiert, bei der Vereinbarung sei es um die Aufklärung der Anschläge vom 11. September 2001 gegangen und nicht um das flächendeckende Ausspähen der deutschen Bevölkerung. (APA, 12.08.2013)