Wir sind auf dem besten Weg zum Designerbaby - konstatiert Franz-Joseph Huainigg in seinem Kommentar der anderen vom 23. Juli - mittels Präimplantationsdiagnostik (PID), des genetischen Screenings in vitro gezeugter Embryonen. Die Reproduktionsmedizin übernehme die Herrschaft über die menschliche Natur. In-vitro-Fertilisation werde Eltern bald ein "umfassend kontrolliertes Qualitätsprodukt Kind" anbieten können. "Nicht alles, was technisch machbar ist, sollte durchgeführt werden", sagt Huainigg. Da hat er absolut recht. Aber wie ist diese ethische Einsicht umzusetzen? PID verbieten, sagt er. Da hat er nicht recht.

Die Subjekte in Huainiggs Zukunftsvision vom Designerbaby sind abstrakt: die Reproduktionsmedizin, die In-vitro-Fertilisation. Und er argumentiert mit der Natur, der man, wie der Kommentar insinuiert, nicht ins Handwerk pfuschen dürfe. Tatsächlich aber sind die Subjekte in Fragen der Präimplantationsdiagnostik Menschen, die vor schwierigen Entscheidungen stehen. Entscheidungen, die verlangen, sich in der einen oder anderen Weise zu den Vorgaben der Natur zu verhalten. Die Natur ist - schon im Schöpfungsauftrag - den Menschen zur Gestaltung aufgegeben. Eine Frage der Verantwortung.

Es gilt, aufmerksam wahrzunehmen, in welch schwierigen Situationen sich Paare, die ein Verbot der PID trifft, befinden: Da ist zum Beispiel die Frau, die sich schon dreimal der auch körperlich sehr belastenden Prozedur einer In-vitro-Fertilisation unterzogen hat; dreimal hat sie eine Fehlgeburt erlitten. Eine Genom-Analyse der Embryonen vor der Implantation würde die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Schwangerschaft auf 70 Prozent steigern. Oder das Paar, das weiß, dass es in der Familie eine schwere Erbkrankheit gibt. Einer der in vitro gezeugten Embryonen könnte Träger des defekten Gens sein, ein anderer nicht. Würde der kranke Embryo implantiert, hätte das Kind vielleicht sechs Jahre zu leben, zumeist im Krankenhaus. Diese Nöte geraten aus dem Blick, wenn man die Debatte auf Designerbabys fokussiert.

Alternative Wege

Die Diakonie ist davon überzeugt, dass jedes Leben wertvoll und schützenswert ist - auch und besonders das kranke und behinderte. Dieser Schutz kann jedoch nicht durch ein Verbot der PID erreicht werden. Es gilt, alternative Wege zu einem Verbot zu suchen: Was ermöglicht es werdenden Eltern, sich nicht nur gegen, sondern auch für ein Leben mit einem Kind mit Behinderung zu entscheiden? Diese Entscheidung wird ja nicht im trauten Heim allein getroffen, sondern angesichts gesellschaftlicher Rahmenbedingungen.

Ja, Eltern sollen sich auf ein behindertes Kind einlassen. Das ist ein ethisches Ideal. Aber man kann dieses Ideal nicht einfordern oder durch Verbote quasi erzwingen. Ein altes ethisches Prinzip sagt: "Über das Können hinaus ist niemand verpflichtet." Wer nicht schwimmen kann, ist nicht verpflichtet, einen Ertrinkenden zu retten. Wer sich schlicht nicht in der Lage sieht, mit einem Kind mit Behinderung zu leben, kann nicht dazu verpflichtet werden.

Nicht moralische Appelle oder Verbote sind hier angezeigt, sondern Unterstützungmaßnahmen ebenso wie ein gesellschaftliches Klima der Offenheit und des Respekts vor der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung.

Die Erfahrungen von werdenden Eltern, die mit einer durch Pränataldiagnostik festgestellten möglichen Behinderung konfrontiert sind, ist weitgehend: Wir werden alleine gelassen. Mit der neuen, ausschließlich aus Spenden finanzierten Beratungsstelle im Diakonie-Zentrum Spattstraße in Linz wollen wir dem entgegenwirken. Das Können zu fördern ist Aufgabe der Gesellschaft. Über das Wollen zu befinden, eine Entscheidung zu treffen, liegt ganz bei den Betroffenen.

Das Regierungsprogramm der auslaufenden Legislaturperiode sieht den Ausbau von Beratungs- und Unterstützungsangeboten vor. Passiert ist allerdings nichts. Die Diakonie Österreich fordert die nächste Regierung auf, diese Maßnahmen umzusetzen, bevor sie einen Gesetzesbeschluss über Zulassung/Verbot von PID fasst.  (Michael Chalupka, DER STANDARD, 13.8.2013)