
Der Duft von Lavendelfeldern, frischem Kaffee oder einem Pasta-Gericht – Gerüche prägen sich ins Gehirn ein. Der Mensch assoziiert mit ihnen einen bestimmten Ort oder ein ganz besonderes Erlebnis. Die Forschung kann zwar Aromen künstlich herstellen. Doch Gerüche zu konservieren und kommunizieren, das war bislang noch nicht möglich. Wie toll wäre es doch, einem Freund in Europa mitzuteilen, welch betörender Duft gerade durch die Souks von Marrakesch strömt! Ein US-Forschungsteam hat nun ein Gerät entwickelt, das genau das kann: Gerüche übertragen. "oPhone" (in Anlehnung an das iPhone von Apple, das „o" steht dabei für odors, Gerüche) heißt das Wunderwerk, das vom Harvard-Professor David Edwards und seinen Studenten ausgetüftelt und derzeit in der Pariser Technikschmiede „Le Laboratoire" zu bestaunen ist. Auf den ersten Blick sieht das oPhone aus wie ein ganz normaler Rauchmelder oder ein Babyfon. Eine ovale Plastikbox mit Sensor und Geruchsausgang, dazu ein kleiner Regler. Das Gerät kommt schlicht daher. Dafür ist die Funktionsweise umso aufregender.
Espresso, café noisette, Latte und Mokka
Per Knopfdruck wird ein Klebestreifen erwärmt, welcher Moleküle freisetzt und so den Geruch ausströmt. „Das oPhone ist ein Gerät wie ein Handy und kommuniziert via Bluetooth mit einem Smartphone oder Computer", erklärt Edwards. Im Moment vermag das Gerät nur vier Kaffeegerüche zu generieren: Espresso, café noisette, Latte und Mokka. Die olfaktorische Wirkung ist begrenzt. Geht es nach Edwards, soll bald ein Großteil aller Gerüche auf der Welt reproduziert werden. „Ein typisches Parfümlabor hat 1000 aromatische Stoffe zur Verfügung, von denen 800 häufig genutzt werden und 400 als Essenzen gelten. Wir planen bis zu 400 Duftstoffe zu entwickeln, das entspricht gut 85 Prozent aller Riechstoffe. Wir sind auch an Gerüchen interessiert, die es heute noch gar nicht gibt, und die vielleicht die Grundlage einer neuen olfaktorischen Sprache konstituieren können", so Edwards Das Projekt verspricht nicht weniger als eine Revolution der Kommunikation. „Können wir wirklich unsere Impressionen mit Bild und Ton kommunizieren?", heißt es in einem Flyer. Wenn es gelingt, Gerüche zu teilen, so die Logik der Entwickler, erreicht man eine ganz andere Emotionalität der Verständigung. Ein bisschen klingt es wie ein spirituelles Heilsversprechen, doch das Projekt ist tatsächlich bahnbrechend. „Wir haben bisher an zwei Apps gearbeitet – oNotes und oTracks. Die erste erlaubt es, Geruchsmitteilungen zu versenden, die zweite solche aufzunehmen. Wenn du eine Nachricht erhältst oder die olfaktorische Spur eines, sagen wir, Films riechst, genügt es, das Gerät anzuschalten, und schon strömt der Geruch aus", frohlockt der Forscher.
Den Traum von der Geruchsübertragung hegt der Mensch schon lange. Im Mai 2001 kam in München der weltweit erste funkgesteuerte Duftfilm „One day diet" ins Kino. Er wurde bildsynchron beduftet. Wenn in den Streifen ein Schokokuss über die Leinwand flimmerte, wurde der Kinobesucher gleichzeitig mit einem Schokoladenduft betört. 2010 entwickelten japanische Forscher mit dem „Smell-O-Vision"-TV eine Art Geruchsfernsehen. Ein einfacher Tintenstrahldrucker sprühte statt Tinte Düfte in den Saal.
Geruchsbelästigung
Das Neue am oPhone ist, dass die Gerüche gezielt, also nur für den Adressaten, ausströmen und nicht im Raum diffundieren. Somit kann Geruchsbelästigung vermieden werden. Mit dem Gerät lassen sich Düfte in schneller Reihenfolge wie bei einem Musikplayer abspielen. Das „Olfactive Project" wird u.a. von Danone Research und vom französischen Telekommunikationskonzern Orange unterstützt. Edwards ist der kreative Kopf des Projekts. Der Autor des Buchs „ArtScience: Creativity in the Post-Google Period (2008) hat eine Reihe interessanter Ideen entwickelt, die das Leben erleichtern, etwa, dass Diabetiker Insulin inhalieren statt zu spritzen. Der Harvard-Professor leitet den innovativen Kurs „How to Create Things & Have Them Matter". Das Seminar ist als Teil eines internationalen Austauschprogramms (The ArtScience Prize) angelegt. „Es ermutigt die Studenten, durch die Realisierung von Träumen zu lernen, die aus der Saat der Kunst entstehen und Ideen an der Grenze zur Wissenschaft zu entwickeln", sagt Edwards. Der Wissenschaftler will Kunst und Technik miteinander verzahnen.
Video:
Edwards ist überzeugt, dass sein Projekt kein akademisches oder künstlerisches Glasperlenspiel ist, sondern durchaus wirtschaftliches Potenzial hat. „Stellen Sie sich vor, Twitter-Mitteilungen oder E-Mails würden um einen Geruchskanal ergänzt – oder kommerzielle Webseiten wie Werbung, etwa für Bekleidungsartikel. Das würde die Nutzer ganz anders ansprechen." Im Herbst soll ein zweiter Prototyp des oPhones mit 16 aromatischen Substanzen der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Mit der Eröffnung eines neuen Labors zwischen dem MIT in Boston und der Harvard University soll das Produkt in Serie gehen. „Wir streben eine Markteinführung im Frühjahr 2014 in kleinem Rahmen an", sagt Edwards. Schon bald könnten die ersten digitalen Duftbotschaften um die Welt gehen. (Adrian Lobe, DER STANDARD, 13.08. 2013)