Nein, der Grieche hat das Spiel auch nicht erfunden. 1980 durfte sich die Nationalmannschaft erstmals bei einer EM-Endrunde messen und schied in Italien als Gruppenletzter aus. Die erste Qualifikation für eine WM gelang wiederum 1994, in den USA wurde man von den Herren Diego Maradona und Christo Stoitschkow schwindlig gespielt: 0:4 gegen Argentinien, 0:4 gegen Bulgarien und zum Abschluss ein 0:2 gegen Nigeria. Ein geradezu mitleiderregender Auftritt. Selbst wenn Maradona das Ephedrin bei den Ohren herauskam.

 

 

Bis zur Jahrtausendwende blieb sich der griechische Fußball treu: man scheiterte in den Qualifikationen an Dänemark und den Niederlanden, an Russland und Schottland, an Norwegen und Slowenien. Und wer hätte gedacht, dass diese Geschichte des chronischen Versagens durch einen Europameistertitel unterbrochen werden könnte? Niemand. Nicht einmal die allwissenden Buchmacher hatten die Mannschaft 2004 auf der Rechnung, sie wurde als 100:1-Außenseiter gehandelt. Mission impossible.

Dabei war Griechenland wesentlich besser ausgerüstet als je zuvor. Mit Traianos Dellas (AS Roma), Giorgos Karagounis (Inter Mailand) und Angelos Charisteas (Werder Bremen) schmückten wertvolle Legionäre den Kader. Mit Otto Rehhagel saß ein veritabler Trainerfuchs auf der Bank, der die im internationalen Vergleich bescheidenen Mittel richtig einzusetzen wusste. Mit einem 1:0-Finalerfolg über Portugal wurde das Unmögliche Realität.

 

 

Der Titelgewinn brachte einen nachhaltigen Aufschwung mit sich: In der FIFA-Weltrangliste hält man sich seither erfolgreich unter den Top 30. Als Österreich 2008 aus den Top 100 fiel, rangierten die Griechen auf Platz 18. Aktuell steht das ÖFB-Team auf Rang 55, die Griechen auf Rang 11. Und das ist leider nicht egal, denn die Weltrangliste wird zur Einteilung der Mannschaften in Lostöpfe herangezogen.

Während Österreich in der WM-Qualifikation also gegen Deutschland, Schweden und Irland antritt, dürfen die Griechen gegen Bosnien-Herzegowina, die Slowakei und Litauen spielen. Anders gesagt: Die österreichische Nationalelf schleppt die Erblast eines verlorenen Jahrzehntes mit sich herum, die Griechen profitieren auch von den Erfolgen ihrer Vorgänger und qualifizierten sich für die Endrunden 2008, 2010, 2012.

 

 

Vergisst man die Weltrangliste und vergleicht die Kader von Österreich und Griechenland, ist de facto kaum ein qualitativer Unterschied auszumachen. Im Gegenteil: die österreichische Nationalmannschaft scheint sogar über die besseren Einzelspieler zu verfügen. Die Ausfälle von Georgios Karagounis (Fulham) und Georgios Samaras (Celtic Glasgow) schwächen das Team von Trainer Fernando Santos zudem.

Topstar der Griechen ist Sokratis, er wechselte mit Saisonbeginn von Werder Bremen zum Champions-League-Finalisten Borussia Dortmund. Im ersten Saisonspiel gegen Augsburg saß der Verteidiger noch auf der Bank. Dort dürfte er wohl länger verweilen, die Innenverteidigung der Borussen ist mit Neven Subotic und Mats Hummels alles andere als schlecht aufgestellt.

 

 

Im österreichischen Nationalkader ist ein klarer Trend zum Legionär erkennbar, nur acht von 23 Spielern verdienen ihr Geld im Inland, bei den Griechen sind es 13 von 22. Das bei allem Respekt eher bescheidene Niveau der griechischen Superleague durften wir zuletzt in der Europa League beim Spiel zwischen Rapid Wien und Asteras Tripolis beobachten, wenngleich sich Rekordmeister Olympiakos Piräus qualitiv abhebt und auch fünf Nationalspieler stellt.

Die ÖFB-Legionäre finden ihr Glück traditionell in Deutschland, erste Anlaufstelle der Griechen ist derzeit die Serie A. Lazaros Christodoulopoulos und Panagiotis Kone sind Teamkollegen von György Garics in Bologna. Sotirios Ninis kommt in Parma kaum zum Zug, Panagiotis Tachtsidis spielt in Catania keine zentrale Rolle und Vasilis Torosidis trat im Frühjahr immerhin 11 Mal für AS Roma an.

 

 

Griechenland ist also kein Gegner zum Fürchten, sondern eine schöne Möglichkeit sich gegen einen sehr gut platzierten Kontrahenten zu behaupten. Ein Test gegen eine defensiv auftretende Mannschaft, der kaum Aufschlüsse für das Spiel in Deutschland zulassen wird. Die Buchmacher sehen Österreich nicht ganz zufällig als Favoriten. Und die irren ja bekanntlich nie. (Philip Bauer; derStandard.at; 13.8.2013)