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Carmelita Jeter (rechts), 2011 in Daegu die Flotteste über die 100 Meter, wird beim Triumph von Shelly-Ann Fraser-Pryce in Moskau nur Dritte. Ein Sinnbild der Krise des US-Sprints im Vergleich mit Jamaika.
Moskau - Jahrzehntelang galten Sprintniederlagen der US-Leichtathleten als Ausrutscher, als Ausnahmen, die eine goldene Regel bestätigten. Die Regel samt Ausnahmen gilt aber seit nunmehr fünf Jahren für Jamaika. 26 Goldmedaillen wurden bis dato seit 2008 bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften in den Laufdisziplinen 100 und 200 sowie 4 x 100 Meter vergeben. 20 davon gingen an Damen und Herren aus Jamaika, eine (Staffel der Damen 2008) an Russland. Und nur fünf an die USA.
Seitdem Usain Bolt von Triumph zu Triumph stürmt, beheimatet die drittgrößte Insel der Großen Antillen die Sprintnation Nummer eins, hinken die USA diesbezüglich fast hoffnungslos hinterher. 2007 bei der WM in Osaka gingen noch fünf der sechs Goldenen im Sprint an US-Athleten. Bolt gewann in Japan zwar seine ersten beiden Medaillen (Silber über 200 m und mit der Staffel), aber nur die kürzlich positiv auf Doping getestete Veronica Campbell-Brown (über 100 m) lief für Jamaika zu einem Titel.
Aktuell und in Moskau wären die USA über eine Goldene bei den verbleibenden vier Gelegenheiten schon froh. Die 200 m mit Olympiasiegerin Allyson Felix und die Staffel der Damen am Sonntag bieten vermutlich die besten Chancen, schmücken doch vier US-Amerikanerinnen das 100-m-Finale. Gegen Shelly-Ann Fraser-Pryce, die 26-jährige Doppelolympiasiegerin, die als beste Werbeträgerin für ihren Frisiersalon in Kingston durch die Gegend hirscht, vermochte aber keine etwas auszurichten. Sie siegte in Jahresweltbestzeit (10,71 Sekunden) und mit dem größten Abstand, der jemals in einem WM-Finale über 100 m gemessen wurde. Carmelita Jeter, die um fast sieben Jahre ältere Titelverteidigerin aus Los Angeles, musste sich gar mit Bronze bescheiden.
Die Leistungsdichte der jamaikanischen Sprinterinnen ist nicht ganz so hoch wie jene der jamaikanischen Sprinter. Bei den Herren folgten Bolt drei Landsleute ins kurze Finale und belegten die Plätze drei bis fünf. "Das zeigt, dass wir viele talentierte Sprinter haben. Und es werden noch einige nachkommen", frohlockte der Primus, der seinem sechsten Titel noch die Nummern sieben (über 200 m, tunlichst mit neuem Weltrekord) und acht (mit der Staffel) hinzuzufügen gedenkt.
In einer Disziplin hängten US-Sprinter und -Sprinterinnen die Kollegenschaft in den vergangenen Jahren noch locker ab - in der Abgabe positiver Dopingtests. Allerdings scheint Jamaika, je genauer hingesehen wird, aufzuholen. Möglich, dass sich daraus über kurz oder lang eine neuerliche Regelumkehr ergibt. (sid, lü, DER STANDARD, 14.8.2013)