Manche Dinge werden in Österreich anders geregelt. Mitten im Wahlkampf treffen sich der rote Bundeskanzler Werner Faymann und Niederösterreichs schwarzer Landeshauptmann Erwin Pröll auf einen Gemischten Satz beim Heurigen. Wenige Tage danach werden Hochwasser- und Dürrehilfe, das Promotionsrecht für die Donau-Uni Krems und der Entwurf für ein neues Lehrerdienstrecht vorgestellt.

Seit zwölf Jahren verhandeln diverse Regierungen mit der Lehrergewerkschaft um ein neues Lehrerdienstrecht - bisher ohne Erfolg. Nun reicht es der Regierung, das neue Dienstrecht geht ohne Sanktus der Lehrervertreter in die Begutachtung. Es ist ein einseitiger Beschluss, ein "Kulturbruch", wie es der oberste AHS-Gewerkschafter, Eckehard Quin, ausdrückt.

In den langen und zähen Verhandlungsjahren war die Gewerkschaft immer die starke Fraktion, schlussendlich hat sie sich aber verspekuliert: Die ÖVP entzog ihr überraschend die Unterstützung. Über Jahre hinweg galt die Lehrergewerkschaft als mächtigster Teil der Beamtengewerkschaft, legendär das Sitzfleisch ihres langjährigen Chefs Fritz Neugebauer. Als "Betonierer" gingen sie aus jeder Verhandlung - ohne Dienstrecht. Die Machtbasis der Lehrervertreter in der Volkspartei ist der ÖAAB. ÖVP-Funktionäre gingen der Konfrontation mit ihr als einziger schwarz dominierter Gewerkschaft über Jahre hinweg aus dem Weg.

Das ist schlagartig anders: Der nun beschrittene Weg ist ein Bruch zwischen den Christgewerkschaftern und der ÖVP-Führungsriege, nicht zuletzt seit Pröll die Gewerkschaftsführung hochoffiziell tadelte. Ausgerechnet unter dem ehemaligen ÖAAB-Chef Michael Spindelegger wird die Lehrergewerkschaft öffentlich zurechtgestutzt.

Dass Pröll gemeinsam mit Faymann beim Heurigen sitzt, kann Spindelegger nicht egal sein. Dass der niederösterreichische Landeshauptmann zusammen mit dem Bundeskanzler mitten im Wahlkampf den Takt vorgibt, stellt offensichtlich die Führungsstärke eines Parteichefs mit Kanzleranspruch infrage. Spindelegger sieht hier kein Problem: "Pröll spielt eine Rolle wie in allen anderen Fragen." Genau in diesem limitierten Spielraum liegt Spindeleggers Problem.

Die Regierung hätte das Dienstrecht auf dem nun eingeschlagenen Weg schon vor Monaten beschließen können. Jetzt hilft der Wahlkampf. Man kümmere sich darum, lautet die Botschaft - irgendwann im Herbst.

Die Verhandlungen dauerten lange, zu lange, und das aktuelle Dienstrecht ist schon lange nicht mehr zeitgemäß. Aber auch im neuen Regelwerk werden die Schwächen des heimischen Bildungssystems fortgeschrieben. Anstatt die Chance zu nutzen, in der Reform der Lehrerausbildung und des Dienstrechts die Kindergartenpädagogen endlich Lehrerinnen und Lehrern gleichzustellen, bleibt die frühkindliche Pädagogik auch nach dieser Legislaturperiode im Hintertreffen der Bildungspolitik. Das ist eines der großen Versäumnisse dieser Regierung - allen Forderungen nach Ausbau des Kindergartenangebots in den Wahlprogrammen zum Trotz.

Einen "wichtigen Mosaikstein" nannte der Kanzler die Dienstrechtsreform. Für ein einheitliches Bild müssen noch viele Steine im Bildungsmosaik ausgetauscht werden - dafür müssen Faymann und Pröll noch öfter zum Heurigen gehen. Vielleicht nehmen sie Spindelegger das nächste Mal mit. (Sebastian Pumberger, DER STANDARD, 14.8.2013)