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Die schwedische Hochspringerin Emma Green Tregaro zeigt Flagge.

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Nick Symmonds sagt, was sich viele Athleten denken.

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Moskau - Das letzte Traumziel der Karriere war mit dem Moskauer Gold-Sprung erreicht, nach Krisenjahren schien die Welt von Stabhochsprung-Königin Jelena Issinbajewa wieder rosarot. Doch dann erhielt der Leichtathletik-Weltstar die Quittung dafür, dass er sich von Wladimir Putin instrumentalisieren ließ: Erst als Wahlkampfhilfe 2012, dann zum Ruhm des Landes für eine Fortsetzung der erst nur bis 2012 geplanten Karriere. Und nun durch ihr Plädoyer für das weltweit geächtete Anti-Homosexuellen-Gesetz des russischen Präsidenten.

Issinbajewas Welt

Sie fürchte um die Zukunft ihres Landes, sollte das umstrittene Dekret keine Anwendung finden, hatte Issinbajewa gemeint. "Wenn wir all diese Dinge auf unseren Straßen zulassen, würden wir Angst um unsere Nation haben", sagte die 31 Jahre alte Weltmeisterin. "Wir verstehen uns als traditionelles Volk", fand Issinbajewa. Männer sollten Frauen lieben und umgekehrt. "Dies ergibt sich aus der Geschichte. Ich hoffe, dass dieses Problem nicht die Olympischen Winterspiele in Sotschi belastet", meinte die Weltrekordhalterin.

Nach heftiger Kritik, auch aus Athletenkreisen folgte am Freitag der Rückzieher der Frau, die immerhin Botschafterin des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) für die Olympischen Jugendspiele ist, und von Putin zur Bürgermeisterin des Olympischen Dorfes in Sotschi berufen wurde. In einer vom Leichtathletik-Weltverband IAAF verbreiteten Erklärung hieß es: "Englisch ist nicht meine Muttersprache und ich denke, ich bin missverstanden worden mit dem, was ich gesagt habe."

"Sie ist in dieser Frage nicht einig mit dem Rest der Welt", meinte Denise Lewis, britische Siebenkampf-Olympiasiegerin von Sydney 2000. 400-m-Weltrekordler Michael Johnson, für das US-Fernsehen in Moskau, sagte der französischen Nachrichtenagentur AFP: "Das war eine sehr oberflächliche Meinung und Erklärung."

Symmonds mit klaren Worten

Der amerikanische Mittelstreckenläufer Nick Symmonds hatte zuvor als erster Sportler in Moskau die Diskriminierung von Homosexuellen in Russland öffentlich kritisiert. Symmonds widmete seine Silbermedaille über 800 m seinen schwulen und lesbischen Freunden in der Heimat.

"Egal, ob du schwul, hetero, schwarz oder weiß bist: Wir alle verdienen dieselben Rechte", sagte der 29-Jährige der russischen Agentur R-Sport: "Wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, für gleiche Rechte einzutreten, werde ich das tun, egal, ob ich dafür ins Gefängnis gehe." Symmonds legte nach: "Ich respektiere dieses Land, aber ich bin nicht mit seinen Regeln einverstanden."

Einige Sportlerinnen lackierten ihre Fingernägel in den Farben des Regenbogens - Symbol der homosexuellen Bewegung, so etwa die schwedische Hochspringerin Emma Green Tregaro und ihre Landsfrau Moa Hjelmer, eine Sprinterin.

Zu Issinbajewa meinte Symmonds nur: "Es erschüttert mich, dass eine junge, gebildete Frau so hinter der Zeit leben kann."

Bloß nicht darüber reden

Per Gesetz steht seit Juni in Russland die Verbreitung von Informationen über Homosexualität an Minderjährige unter Strafe. Es drohen Geldstrafen zwischen umgerechnet rund 120 und 23.000 Euro oder bis zu 15 Tage Haft. Ausländer können des Landes verwiesen werden. Jegliche öffentliche Debatte wird damit praktisch unmöglich gemacht. Das von Putin unterzeichnete Gesetz hatte in den vergangenen Wochen international Zweifel an der Offenheit und den Gastgeberfähigkeiten Russlands aufkommen lassen. Es wurden gar Forderungen nach einem Boykott der Winterspiele in Sotschi 2014 laut.

Der Leichtathletik-Weltverband (IAAF), präsidiert vom 80-jährigen Senegalesen Lamine Diack, reagierte mit einer weichen Stellungnahme auf die peinliche Posse um Isinbajewa. Alle Meinungen seien zu respektieren, hieß es, jene der Russin wie auch jene der Schwedin Green Tregaro. "Die IAAF-Statuten unterstreichen unser Bekenntnis zu den Prinzipien der Nichtdiskriminierung in Fragen von Religion, Politik oder bei sexuellen Orientierungen", schob der Verband dann noch pflichtgemäß nach.

Sorgen der FIFA

Ähnliches war schon vom internationalen Fußballverband (FIFA) zu vernehmen gewesen, der 2018 seine Weltmeisterschaften in Russland abzuhalten gedenkt. Die Fifa holte sich die vage Zusicherung, dass während der WM auch im Hinblick auf dieses Gesetz die Sicherheit aller Besucher und Fans gewährleistet sein werde. (sid/red - 16.8.2013)