
Die Arbeitsräume und Arbeitswelten haben sich verändert, die Empfindungen der Mitarbeiter meist nicht.
Das Interesse an Architektur und Ausstattung von Arbeitsräumen ist keine Vorbedingung, um zu verstehen, dass und in welcher Form der Arbeitsplatz das Wohlbefinden beeinflusst. Büroarbeit in jeder wie auch immer inhaltlich gestalteten Ausprägung wird mehr, demnach ist auch die Wirkung von Arbeitsräumen und -plätzen auf die Mitarbeiter schlagend.
Performance, Motivation aber auch der soziale Kontakt zu Kollegen werden maßgeblich und nachhaltig von der Gebäudegestaltung – innen wie außen –, respektive der sie umgebenden Infrastruktur beeinflusst. Diese Erkenntnis setzt sich auch deshalb durch, weil Unternehmen erkannt haben, dass nur zufriedene Mitarbeiter loyal und produktiv sind.
Rückzug sichern
Die Disziplin, die sich mit der Auswirkung von Architektur auf den Menschen beschäftigt, die Architekturpsychologie, ist vergleichsweise jung. Sie hat sich Mitte des letzten Jahrhunderts langsam etabliert. Und es entsteht der Eindruck, dass dieses Wissen auch für kommende arbeitende Generationen noch mehr an Wert gewinnen wird – im Sinne eines Wettbewerbfaktors im Rennen um die Umsetzung moderner Arbeitsformen und -welten.
Lange Jahre galt das Großraumbüro als ideale Variante der Arbeitsraumgestaltung – Transparenz- und Kommunikation-fördernd waren die zentralen Argumente. Mittlerweile sind sich Experten einig, dass sich die Arbeit im Großraum zwar für einfache Routinearbeiten eignet, da die Sichtbarkeit der Leistung anderer Kollegen die eigene beflügeln kann, für das neue Arbeiten – im Team, alleine, zurückgezogen oder nicht – aber gänzlich ungeeignet sind. Die den modernen Arbeitswelten entsprechende Modelle nennen Experten „Kombibüro“, „Flexibüro“ oder „Activity Based Working“.
Bei allen Abwandlungen geht es im Grunde darum, je nach Tätigkeit die richtige Arbeitsumgebung vorzufinden – für Gemeinsames, für Telefonate, für konzentrierte Einzelarbeit etc. Denn à la longue müsse das klassische Großraumbüro flexiblen Modellen weichen, da sie den Bedürfnissen der Arbeitnehmer nicht entsprechen, Stress verursachen, soziale Kontakte verschlechtern und auch krank machen können.
Das Stuttgarter Fraunhofer-Institut hat in seinem europaweiten Forschungsprojekt „Office 21“ Umgebungsfaktoren identifiziert, die Einfluss auf das Empfinden der Menschen haben. Dazu gehören: Sicherheit, Proportionen und Raumgeometrien, Luft und Geruch, Abwechslung und Individualität, Corporate Culture, Technikintegration, Materialität, Licht, Akustik und Blickbeziehungen.
Ein ganz zentraler Aspekt für das Wohlbefinden von Arbeitnehmerinnen und -nehmer im Büro – und das ist eine Erkenntnis, die die Forscher des Fraunhofer-Instituts mit vielen Architekturpsychologen teilen, ist die Notwendigkeit einer so genannten „Umweltkontrolle“.
Mitbestimmung
Heißt: Die Mitarbeiter sollen ihre Umwelt nach persönlichen Vorlieben gestalten können – etwa die räumliche Distanz zum Gegenüber mitbestimmen dürfen, oder Stressfaktoren wie Lärm, schlechte Luft und die Beleuchtung selbst regulieren können. Auch Nippes für die persönliche Note am Schreibtisch kann sich positiv auf Stimmung und Motivation auswirken. Stressmindernd soll der Blick auf etwas Grünes sein – einen Baum, vielleicht gleich mehrere oder auf eine Zimmerpflanze, sagen etwa Forscher der Uni Uppsala. Ein gewisses Maß an Mitbestimmung ist dafür aber Voraussetzung. Physisches und psychisches Wohlbefinden, gesteigerte Leistungsfähigkeit und Konzentration, aber auch ein positives soziale Verhalten seien dann die Folge. Winston Churchill soll gesagt haben: „Zuerst gestalten wir Gebäude, dann gestalten sie uns.“ Das gilt im Guten, aber auch im Schlechten. (Heidi Aichinger, Der Standard, 17.8.2013)